Systematische Analyse des DiGA-Verzeichnisses am BfArM: Informationen für Verordnungsentscheidungen von digitalen Gesundheitsanwendungen sind oft unvollständig

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die im DiGA-Verzeichnis am BfArM gelistet sind, können im Rahmen der Regelversorgung verschrieben werden. Das Verzeichnis soll all jene Informationen, die für die Verordnung einer DiGA entscheidend sind, umfassend zur Verfügung stellen. Hierzu zählen u. a. Angaben zu Studienpopulation, Stichprobengröße, Endpunkten und Interventionsdauer. Am WIG2 Institut wurde das DiGA-Verzeichnis auf Transparenz und Vollständigkeit von relevanten Studienparametern analysiert.

Ein Teil der Ergebnisse der systematischen Analyse des DiGA-Verzeichnisses stelle Ria Heinrich am 5. Oktober 2022 zum 21. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung (DKVF) zum Abschluss der Sitzung „VS05: Nutzen und Potenziale digitaler Versorgung“ vor. Dabei lag das Hauptaugenmerk auf Lücken und Inkonsistenzen im DiGA-Verzeichnis bezüglich des Informationsgehalts zu relevanten Studienparametern. Das Auditorium nahm die Ergebnisse gespannt auf und diskutierte kritisch mit. Sowohl Ärzte als auch Vertreter von Krankenkassen äußerten ebenfalls einen Verbesserungsbedarf in Bezug auf das Verzeichnis und den DiGA-Prozess.

Abstract

Hintergrund: Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die im DiGA-Verzeichnis am BfArM gelistet sind, können seit Ende 2020 im Rahmen der Regelversorgung verschrieben werden. Eine Aufnahme kann erfolgen, falls anhand wissenschaftlicher Daten nachgewiesen wird, dass die DiGA einen positiven Versorgungseffekt (pVE) aufweist. Das Verzeichnis soll Informationen zu den DiGA beinhalten, die relevant für Verordnungsentscheidungen sind [1]. Hierzu ist vollständige Transparenz zur Studienpopulation, Stichprobengröße, Endpunkte, deren Operationalisierung und Interventionsdauer notwendig. Bislang fehlt eine systematische Erfassung der Informationen zu den gelisteten Anwendungen.

Fragestellung und Zielsetzung: Das DiGA-Verzeichnis (Stand 05.04.2022) soll auf Transparenz und Vollständigkeit von relevanten Studienparametern, die für Verordnungsentscheidungen relevant sind, analysiert werden.

Methode: Mittels einer systematischen Analyse des DiGA-Verzeichnisses wurden Indikatoren für die Bewertung der Transparenz eines Eintrags identifiziert und der Informationsgehalt der gelisteten Anwendungen beurteilt. Fehlende Informationen wurden durch eine Handrecherche in Studienregistern und Publikationen gesucht. Es erfolgte eine Qualitätssicherung der extrahierten Daten nach dem Vier-Augen-Prinzip. Die gesammelten Informationen wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Für die 30 gelisteten DiGA wird mindestens ein pVE angegeben, allerdings fehlt bei einigen Anwendungen die Operationalisierung dessen. Oft fehlen Angaben zu Datenerhebungszeitpunkten, Rekrutierungsstrategien und Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf die endgültige Nutzerpopulation der DiGA. Angaben zur Studienregistrierung finden sich zum Teil nicht im Verzeichnis oder sind fehlerhaft.

Diskussion: Anspruch des DiGA-Verzeichnisses ist, Transparenz der gelisteten Anwendungen für Verordnungsentscheidungen zu gewährleisten [1]. Die Informationslücken in den Einträgen werden diesem Anspruch nicht gerecht; so fehlen für einige DiGA Angaben dazu, wie der pVE konkret nachgewiesen worden ist, obwohl dieser Nachweis eine Voraussetzung für die Listung im DiGA-Verzeichnis ist. Informationslücken bestehen hinsichtlich des Studiendesigns und bei weiteren studienbezogenen Parametern, die für einen Vergleich von DiGA notwendig wären. Fehlende Angaben zur Studienregistrierung erschweren eine Nachrecherche der fehlenden Informationen.

Praktische Implikationen: Für einen transparenten Einblick in die Vorgehensweise beim Nutzennachweis der gelisteten DiGA müssen ergänzend zum DiGA-Verzeichnis weitere Informationsquellen, wie Studienregister und Publikationen herangezogen werden.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung): Zukünftig sollte eine detaillierte Prüfung auf Vollständigkeit der Angaben der im Verzeichnis gelisteten DiGA durch das BfArM erfolgen, die korrekte Studienregistrierung sichergestellt werden und Hersteller zu einer umfassenderen Dokumentation angehalten werden.

 

[1] BfArM. Das Fast-Track-Verfahren für DiGA nach § 139e SGB V. Ein Leitfaden für Hersteller, Leistungserbringer und Anwender. 2022.

Autor:innen:
Ria Heinrich, Melanie Maeder, Patrick Timpel, Sandy Scheibe, Tonio Schoenfelder (v. l. n. r.)