Finanzierung der Gesundheitsversorgung in Deutschland kritisch hinterfragen - WIG2 veranstaltete Expertenzirkel zum fachlichen Austausch

Ein hoch komplexes Finanzierungssystem wie die Gesetzliche Krankenversicherung bedarf einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, um etwaige Schwachstellen identifizieren und wirksam beheben zu können. In jüngster Vergangenheit wurden durchaus unterschiedliche Lösungsansätze für die drängendsten Probleme in der Gesundheitsfinanzierung vorgetragen und zumindest unter Fachleuten rege diskutiert – so etwa in Form des Sondergutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt (BVA) zum Finanzausgleichssystem Morbi-RSA oder des Gutachtens der Monopolkommission zum Wettbewerb im Krankenversicherungssystem. Der Expertenzirkel des WIG2 Instituts lieferte Entscheidern der GKV und Experten der Gesundheitsversorgung nun am 7. und 8. Juni in Leipzig eine Plattform, um ebenjene Ansätze kritisch zu reflektieren. Das WIG2 blickt auf zwei erfolg- und diskussionsreiche Tage zurück.

Im Fokus der beiden Veranstaltungstage stand neben der Zukunft des Finanzausgleichs auch die Frage danach, ob und in welcher Form ein fairer Wettbewerb auf dem Gesundheitsmarkt möglich ist. Den Auftakt des Expertenzirkels gestaltete Dr. Dennis Häckl – Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor des WIG2 – mit einer kurzen Vorstellung der Schwerpunkte des Instituts, aktuellen Projekten und Promotionsvorhaben der wissenschaftlichen Mitarbeiter.

Daran schloss Marius Milde – Geschäftsführer der Unternehmenskommunikation bei der AOK PLUS – mit seinem Beitrag zur Ausgestaltung des Wettbewerbsrahmens der GKV an. Dabei unterstrich er, dass sich die Wettbewerbsdiskussion zu stark auf den Versicherungsmarkt und damit auf das Verhältnis zwischen Versichertem und Krankenkasse konzentriere. Notwendig sei hingegen eine stärkere Zuwendung zum Leistungsmarkt auf der einen und zum Behandlungsmarkt auf der anderen Seite. Die zentrale Kritik Mildes bestand darin, dass sich der Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt hauptsächlich am Preis ausrichte, nicht aber eine echte Konkurrenz um Versorgungsqualität ermögliche.

Die Diskussion um die aktuellen Wettbewerbsentwicklungen in der GKV wurde durch Maximilian Schwarz – Leiter Intrapreneurship und Beratung am WIG2 Institut – im Rahmen eines Vortrags um Implikationen für das Finanzcontrolling erweitert. Anhand der am WIG2 Institut entwickelten Analysetools GKV.Wettbewerbsstudie und GKV.Finanzbenchmark stellte er insbesondere die regionalen Wechselbewegungen und die daraus resultierenden Bestandsveränderungen auf dem Markt der GKV vor. Darauf aufbauend diskutierte er vor allem den nutzenstiftenden Einsatz von regionalen und unterjährigen Wettbewerbsinformationen innerhalb des Finanzcontrollings.

Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages erwartete die Teilnehmer ein Kamingespräch mit dem Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats, Prof. Dr. Jürgen Wasem. Neben einem Rückblick auf die Empfehlungen aus dem aktuellen Sondergutachten des BVA interessierte hier natürlich vor allem der Blick nach vorn. Das RSA-Regionalgutachten liege, so der Ausblick Wasems, in den letzten Zügen und werde einige Überraschungen bereithalten.

Am zweiten Tag des Expertenzirkels lag der thematische Schwerpunkt auf der regionalen Marktkonzentration und Monopolisierungstendenzen der GKV. Eröffnet wurde die Diskussion mit der Vorstellung des Forschungsprojektes von Pascal Schäfer zur Monopolisierung in der GKV. Hier beleuchtete der externe, angehende Promovend am WIG2 Institut die Auswirkungen von (regionalen) Marktkonzentrationen von Krankenkassen auf Leistungserbringer, Preisentwicklung, Innovation und Compliance.

Im Anschluss nahm Prof. Dr. Wambach – Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und Vorsitzender der Monopolkommission – die Situation am GKV-Markt in den Blick. Es gebe der Definition nach keine Monopole in der GKV, sondern ausschließlich marktbeherrschende Stellungen. Entscheidend seien die Auswirkungen, die sich aus entsprechenden Marktkonzentrationen für die Versicherten ergeben – solange beispielsweise Einsparungen aus der günstigen Verhandlungsposition einer marktbeherrschenden Kasse an die Versicherten weitergegeben würden, gäbe es aus wettbewerblicher Sicht keinen Grund einzuschreiten. An anderer Stelle zeigt sich allerdings durchaus Handlungsbedarf: So müssen auch unter der Bedingungen eines Morbi-RSA genügend Anreize zu Prävention und Behandlung verbleiben, was derzeit noch nicht geschehe und entsprechende Nachbesserungen erforderlich mache (vgl. auch Präventionsgutachten WIG2, 2016).

Den thematischen Abschluss der Veranstaltung stellte ein Impulsvortrag des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsens – Dr. Klaus Heckemann – dar. Ihm zufolge sei der Risikostrukturausgleich auch aus Sicht der Leistungserbringer ein entscheidendes, den Wettbewerb ermöglichendes Instrument.

Impressionen des Expertenzirkels "Finanzierung der Gesundheitsversorgung in Deutschland"

Das WIG2 Institut bedankt sich herzlich bei allen Referenten, Partnern und Teilnehmern des Expertenzirkels „Finanzierung der Gesundheitsversorgung“. Für das Jahr 2018 sind außerdem noch weitere Expertenzirkel zu interessanten Fragestellungen rund um die GKV und das Gesundheitswesen geplant. Mehr Informationen hierzu finden Sie in unserem Bereich „Veranstaltungen“. 

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