Studie: Influenza-assoziierte Übersterblichkeit und Hospitalisierung in Deutschland von 1996 bis 2018

Oktober – langsam wird es herbstlich. Eine Erkältung lässt da häufig nicht lange auf sich warten. Dass Influenza, also die echte Grippe, aber jedes Jahr viele Tote fordert, geht oft unter, auch weil Grippe häufig nicht als Todesursache erkannt wird. Das WIG2 Institut hat in Kooperation mit der Universität Halle kürzlich eine Untersuchung angestellt, um die Influenza-assoziierte Sterblichkeit unter die Lupe zu nehmen. Unserem Wissenschaftler Christian Schindler, dem Erstautoren der Studie, haben wir dazu einige Fragen gestellt:

Christian, gemeinsam mit einigen WIG2-Kollegen hast Du im September dieses Jahres ein Paper zur Influenza-assoziierten Sterblichkeit veröffentlicht – was genau habt ihr untersucht?

Wie viele sicher auch aus eigener Erfahrung wissen, ist Influenza eine saisonal auftretende, akute Atemwegserkrankung, die die gesamte Bevölkerung in Deutschland betrifft und – was vielleicht nicht jedem bekannt ist – eine hohe Sterblichkeit in der Bevölkerung aufweist. Dies zu messen ist jedoch äußerst schwierig, da Influenza in den seltensten Fällen als Todesursache auf dem Totenschein auftritt. Zumeist wird Influenza als Todesursache verkannt und stattdessen ein Grundleiden, wie z. B. Diabetes mellitus, eingetragen. Deswegen hat sich als wissenschaftlicher Standard eine Schätzung der Influenza-assoziierten Todesfälle aus der Gesamtmortalität, also der Gesamtzahl aller Todesfälle, etabliert.

Wie genau erfolgt diese Schätzung?

Hierzu wird die Idee der Übersterblichkeit bzw. Exzess-Mortalität genutzt. Diese bezieht sich auf die Differenz zwischen den tatsächlich beobachteten Todesfällen während der Grippesaison und den während dieser Zeitspanne bei Abwesenheit von Influenza zu erwartenden Ausgangswerten. Diese Baseline ohne Influenza kann mit verschiedenen statistischen Modellen geschätzt werden. Die resultierende, erhöhte Sterblichkeit während einer Grippewelle wird dann als Influenza-assoziierte Todesfälle dargestellt.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat bereits Modelle zur Schätzung der Influenza-assoziierten Übersterblichkeit. Was hebt Eure Studie davon ab?

Das RKI schätzt im Rahmen seiner Influenza-Surveillance die Influenza-assoziierten Exzess-Todesfälle für Deutschland. Allerdings werden diese nicht für unterschiedliche Altersgruppen, nicht differenziert nach der offiziellen Todesursache und auch nur monatsweise geschätzt.

Warum sind diese Informationen wertvoll?

Vor allem die Differenzierung nach Alter macht es den Entscheidungsträgern leichter, mit verstärkten Präventionsmaßnahmen auf die Altersgruppen einzugehen, die am stärksten von der Übersterblichkeit betroffen sind. Darüber hinaus verbessert die Verwendung wöchentlicher statt monatlicher Daten die Genauigkeit, insbesondere bei der Identifizierung einer Grippewelle, während die Unterscheidung nach den offiziellen Todesursachen Erkenntnisse darüber liefert, hinter welchen Krankheiten sich die Todesfälle zumeist „verstecken“.

Daher war unser Ziel, ein optimiertes Modell zu entwickeln, das jene vom RKI selbst genannten Limitationen auflöst und die Übersterblichkeit für den Zeitraum 1996–2018 bestimmt.

Und zu welchen Ergebnissen seid ihr gekommen?

Die Verwendung von altersspezifischen Daten hat gezeigt, dass mehr als 95 % der Influenza-assoziierten Exzess-Todesfälle bei Patient:innen im Alter von über 60 Jahren auftraten – das sind mit Abstand die meisten Betroffenen. Ältere Menschen sind anfälliger für Influenza-Infektionen und haben ein erhöhtes Risiko, schwere Komplikationen zu entwickeln. Da bereits in 2018 fast 30 % der deutschen Bevölkerung über 60 Jahre alt waren – eine Zahl, die in Zukunft wahrscheinlich noch steigen wird – ist eine gezielte Influenza-Prävention für diese Gruppe besonders wichtig. Es sollten daher erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um die Impfquote in dieser Altersgruppe zu erhöhen.

Mit welcher Datengrundlage habt ihr gearbeitet und wie ist diese zustande gekommen?

Das ganze Projekt ist eine Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, in Person von Herrn Prof. Mikolajczyk.

„Die Ergebnisse liefern erstmals eine Quantifizierung der altersspezifischen Influenza-assoziierten Übersterblichkeit für Deutschland. Auch zeigt die Studie eindrucksvoll, dass sich die Influenza-assoziierten Todesfälle häufig hinter kardiovaskulären Diagnosen ‚verstecken‘.“– Prof. Mikolajczyk

Für das Modell war es essenziell, die Todesursachenstatistik für Gesamtdeutschland zu nutzen. Diese Daten konnten über das Forschungsdatenzentrum (FDZ) der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder erhalten werden. Das Datenangebot des FDZ umfasst dabei mehr als 100 Bundesstatistiken aus vielen Bereichen, unter anderem zu sozialen, wirtschaftlichen und Umwelt-Themen. Die Nutzung muss beantragt werden und ist an verschiedene Bedingungen geknüpft. Alle weiteren benötigten Daten waren über öffentliche Quellen zugänglich.

Das klingt nach einer optimalen Datengrundlage.

Ja, die Publikation zeichnet vor allem aus, dass wir nicht auf eine irgendwie geartete Stichprobe angewiesen waren, sondern die Daten von Gesamtdeutschland nutzen. 

Die Studie entstand in Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Sanofi-Aventis Deutschland. Autoren des Papers „Influenza-Associated Excess Mortality and Hospitalization in Germany from 1996 to 2018“ sind neben Christian Schindler Ian Wittenberg, Oliver Damm, Rolf Kramer, Rafael Mikolajczyk und Tonio Schönfelder. Neben der Influenza-assoziierten Übersterblichkeit werden im Paper ebenfalls die entsprechenden Exzess-Hospitalisierungen betrachtet.

Um zum Paper zu gelangen klicken Sie hier.


Das Projekt würde unterstützt durch die Sanofi-Aventis Deutschland GmbH.