15. dggö Jahrestagung 2023 » Vortragssitzung D6 – Krankenversicherung und Risikostrukturausgleich

Bewertung von Pharmakostengruppen als Erweiterung des Krankheits-Vollmodells im deutschen Morbi-RSA

Christian Schindler
Dienstag, 14. März 2023, 11:40–13:00 Uhr, Raum F128

Abstract

Einleitung

Um einen fairen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu gewährleisten, wurde 2009 in Deutschland ein morbiditätsorientierter Risikoausgleich (Morbi-RSA) eingeführt. Dabei spielt die Erfassung der Morbidität der Versicherten eine entscheidende Rolle, die vor allem über Diagnosedaten erfolgt. Bei der Verwendung von Diagnosedaten ist eine zuverlässige Kodierung im medizinischen und epidemiologischen Sinne von hoher Priorität. In den vergangenen Jahren fand eine intensive Diskussion statt, die sich vor allem mit der Manipulierbarkeit des Ausgleichssystems und der Kodierqualität insbesondere ambulanter Diagnosen beschäftigte. Die Berücksichtigung von Arzneimitteln wird in der Literatur als potenziell manipulationsresistentere Alternative aufgeführt. Da diese sich jedoch nicht immer eindeutig konkreten Krankheiten zuordnen lassen, sind sie als Risikofaktoren in dem bis 2020 verwendeten Ansatz einer selektiven Krankheitsauswahl nur eingeschränkt anwendbar. Mit der Einführung des Vollmodells im Jahr 2021 hat die Frage nach einer Aufnahme von Pharmakostengruppen (PCGs) erneut an Relevanz gewonnen. Dieser Beitrag stellt ein Modell unter Einbezug von PCGs vor, womit erstmalig die Wirkung einer Arzneimittelkomponente unter dem Wegfall einer Krankheitsauswahl im Morbi-RSA bewertet werden kann.

Methode

Im ersten Schritt wurden im Rahmen einer strukturierten Recherche international entwickelte Pharmaklassifikationsmodelle ermittelt. Anschließend wurde ein geeignetes, verfügbares Modell auf die deutschen Verhältnisse angepasst. Um eine Vergleichbarkeit zum Status quo herzustellen, wurde eine repräsentative Stichprobe für die deutsche GKV erstellt, anhand derer verschiedene Modellvarianten simuliert werden sollen. Zur Beurteilung der Modelle wird das Bestimmtheitsmaß (R²), Cumming's Predictive Measure (CPM) und der mittlere absolute Vorhersagefehler (MAPE) verwendet. Um die Genauigkeit der Zuweisungen zu bewerten, werden die Deckungsquoten verschiedener Risikogruppen herangezogen.

Ergebnisse

Bisherige Auswertungen zeigten, dass die zusätzliche Verwendung von PCGs die Modellgüte erheblich steigern können und die Überdeckung von gesunden Versicherten abgebaut wird. Dies gilt es unter den neuen Umständen – Wegfall der Krankheitsauswahl und Einführung eines Risikopools – zu überprüfen.

Zusammenfassung

Wir erwarten weiterhin eine verbesserten individuellen Modellgüte, eine reduzierte Überdeckung von gesunden Versicherten, ein Abbau von Manipulationsanfälligkeit des Verfahrens und einen erhöhten Morbiditätsaufgriff. Interessant ist vor allem, inwieweit die neuen Gegebenheiten die Effekte einer Arzneimittelkomponente beeinflussen.

Autor:innen

  • Christian Schindler, WIG2 GmbH
  • Benjamin Berndt, WIG2 GmbH
  • Ines Weinhold, WIG2 GmbH