Versorgung geriatrischer Krankheitsbilder unter ausgewählten ambulanten Facharztgruppen: Kombination von Befragungs- und GKV-Routinedaten zur Abbildung des Leistungsgeschehens

Beitrag in der Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen erschienen, 09.05.2023

 

Kurzbericht:

Der demografische Wandel bringt zahlreiche Herausforderungen für das Gesundheitswesen in Deutschland mit sich. So verändern sich durch unsere zunehmend alternde Gesellschaft auch die Ansprüche, die an  geriatrische Versorgungsleistungen gestellt werden. Vor allem auf der regionalen Ebene findet ein Wandel im Bereich der ambulanten, stationären und pflegerischen Versorgungsbedarfe statt. Die Versorgung geriatrischer Patient:innen wird von Akteur:innen aus vielen verschiedenen Sektoren getragen und findet damit fachgebietsübergreifend statt. Dies setzt eine strukturelle Analyse der daran beteiligten Fachärzt:innen voraus. Genau an dieser Stelle setzt der Beitrag von Danny Wende, Christopher Schrey, Josephine Thiesen, Dr. Franziska Claus und Dr. Ines Weinhold an, der in der Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen veröffentlicht wurde. Ziel ihrer Studie ist es, zunächst die primären und gemeinsamen Versorgungsverantwortungen für geriatrische Patient:innen anhand spezifischer geriatrischer Merkmalskomplexe (GMK) zu ermitteln. Es folgt eine Abschätzung der damit assoziierten Leistungsaufwände bei ausgewählten ambulant tätigen Fachärzt:innen. Zudem gilt es schließlich auch die daraus resultierne Versorgungskonzenration aufzuzeigen.

Methodik

Für die Analyse wurden insgesamt sechs Fachdisziplinen im ambulanten Bereich ausgewählt. Als Basis wurden zwei Datengrundlagen gewählt. Zum einen wurden Daten aus einer repräsentativen Befragung von niedergelassenen Ärzt:innen mit Bezug zur geriatrischen Versorgung (n = 400) berücksichtigt, innerhalb derer sie Auskunft zu primären Versorgungsanlässen und erschwerender geriatrischer Morbidität gaben. Darüber hinaus gingen auch die Ergebnisse einer Querschnittsanalyse auf Basis von Krankenhausabrechnungsdaten, anhand derer jahresweise von 2014 bis 2018 die Versorgungsleistungen für etwa 300.000 geriatrische Patient:innen festgestellt wurden, in die Analyse ein. Mittels Assoziationsanalyse erfolgte schließlich die Ermittlung der Versorgungskonzentration ambulanter Fachärzt:innen auf Patient:innen mit geriatrischer Multimorbidität. Die Versorgungskonzentration gibt das Verhältnis des Leistungsmehraufwands einer/:/eines Facharztes/:/-ärztin für einen GMK relativ zum Leistungsmehraufwand aller Fachärzt:innen für diesen GMK an.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass insbesondere Hausärzt:innen als primäre Versorgungsleistende im Hinblick auf alle GMK auftreten. An dieser Stelle kann also keinerlei Konzentration im Hinblick auf die Versorgung spezifischer Patient:innengruppen festgestellt werden. Bei den spezialisierten Fachgruppen zeigt sich im Gegensatz dazu, dass eine mit dem Versorgungsaufwand assoziierte Konzentration stattfindet. Demnach besteht an dieser Stelle eine gemeinsame Versorgungsverantwortung für Patient:innen, die bestimmte GMK aufweisen. Darüber hinaus konnten durch die Befragung der Ärzt:innen allgemeingültige Herausforderungen bei der Versorgung geriatrischer Patient:innen festgestellt werden, die über Fachgruppengrenzen hinaus gelten. Somit erschweren geriatriespezifische Immobilität, Depressionen und Angststörungen sowie kognitive Defizite die Betreuung der Patient:innen.

Zusammenfassung und Ausblick

Mit den Ergebnissen ihrer Analyse leisten Wende et al. einen Beitrag dazu, ein tiefergehendes Verständnis für die primäre und fachübergreifende Versorgungsverantwortung niedergelassener Ärzt:innen in Bezug auf GMK zu schaffen. Damit bietet sich eine bedeutende Grundlage für die Planung und Organisation geriatrischer Versorgungsstrukturen. Gleichwohl gilt an dieser Stelle hervorzuheben, dass die Autor:innen sich in ihrer Datengrundlage auf sechs ausgewählte Fachdisziplin im ambulanten Bereich beschränken. Die Ergebnisse ermöglichen jedoch erste Rückschlüsse auf die Versorgungskonzentration hinsichtlich geriatrischer Morbidität. Für ein umfassendes Bild müsste die Datengrundlage daher unter Einbezug aller an der geriatrischen Versorgung beteiligten Fachärzt:innen erweitert werden. Die im Beitrag nachgewiesene gemeinsame Versorgungsverantwortung für spezifische geriatrische Patient:innen, die im besonderen Maße auf ambulant tätige Fachärzt:innen zutrifft, unterstreicht die Relevanz interdisziplinärer Versorgungsmodelle. Zudem zeigt sie den zunehmenden Bedarf an geriatrischer Expertise im ambulanten Bereich auf. Im Hinblick auf die zu erwartenden Alters- und Morbiditätsentwicklungen in der Bevölkerung empfehlen die Autor:innen, sich an den Bedarfen und den damit assoziierten Aufwänden, die für verschiedene Fachärzt:innen in der Versorgung geriatrischer Patient:innen entstehen, bei der Planung von Versorgungsstrukturen zu orientieren.

Kurzbericht verfasst von Amelie Heinz


Autor:innen:
Danny Wende, Christopher Schrey, Josephine Thiesen, Franziska Claus, Ines Weinhold

Zitation:
Wende, D., Schrey, C., Thiesen, J., Claus, F. & Weinhold, I. (2023). Versorgung geriatrischer Krankheitsbilder unter ausgewählten ambulanten Facharztgruppen: Kombination von Befragungs- und GKV-Routinedaten zur Abbildung des Leistungsgeschehens. Zeitschrift fur Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 178, S. 37–46. DOI: <https://doi.org/10.1016/j.zefq.2023.02.006>.