WIG2 erneut im European Journal of Health Economics vertreten

Nachdem das European Journal of Health Economics (EJoHE) erst im Juni ein Paper unseres Wissenschaftlichen Mitarbeiters Danny Wende publiziert hat, folgt an gleicher Stelle eine weitere Veröffentlichung aus dem WIG2 Institut: Am 17. Juli 2019 erschien der Artikel „Wirtschaftliche Auswirkungen der Krankheitsprävention in einem morbiditätsbasierten Finanzierungssystem – lohnt sich die Prävention für eine gesetzliche Krankenkasse in Deutschland?“ von Ines Weinhold, Christian Schindler, Nils Kossack, Benjamin Berndt und Dr. Dennis Häckl als OnlineFirst-Artikel im EJoHE. Bereits seit dem Jahr 2000 publiziert die Zeitschrift peer-reviewte Studien sowie Artikel für pragmatische Ansätze im Bereich der europäischen Gesundheitsökonomie.

Chronische Krankheiten wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs stellen die am stärksten verbreiteten Gesundheitsprobleme und eine große finanzielle Belastung für das deutsche Gesundheitssystem dar, weshalb die Prävention dieser Krankheiten aus gesamtgesellschaftlicher Sicht dringend erwünscht ist. Bei der Umsetzung fundierter Präventionsstrategien werden die Krankenkassen immer wichtiger, da sie über das Wissen zu den Gesundheitsrisiken und Zugang zu den Lebenswelten ihrer Mitglieder verfügen. Gleichzeitig agieren die Krankenkassen in einem wettbewerblichen Markt. Daher muss der Rechtsrahmen sicherstellen, dass sich Präventionsmaßnahmen für die Krankenkassen lohnen. Ob dies innerhalb des aktuell geltenden Rahmens des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) gewährleistet wird, ist jedoch fraglich. Die Prävention von Krankheiten führt durch den Morbi-RSA zu geringeren finanziellen Transfers aus dem Gesundheitsfonds und ist daher nur dann von Vorteil, wenn im Vergleich dazu mehr Gesundheitsausgaben eingespart werden. Wenn die positiven finanziellen Auswirkungen der Prävention durch geringere Morbi-RSA-Zuweisungen ausgeglichen werden, zahlen sich die Präventionsbemühungen für eine Krankenkasse betriebswirtschaftlich nicht aus. Dies ist umso relevanter, wenn man bedenkt, dass Morbi-RSA-Zuweisungen sichere Zahlungen darstellen, wohingegen Effekte von Präventionsmaßnahmen in der Zukunft liegen und ungewiss sind, da die Versicherten ihre Krankenkasse wechseln und damit mögliche positive Effekte mitnehmen können.

In ihrem Beitrag im European Journal of Health Economics diskutieren Ines Weinhold, Christian Schindler, Nils Kossack, Benjamin Berndt und Dr. Dennis Häckl potenzielle Fehlanreize für die Krankenkassen in Bezug auf Prävention und untersuchen insbesondere, ob negative wirtschaftliche Anreize empirisch nachgewiesen werden können. In einer retrospektiven, kontrollierten Studie wurden die finanziellen Auswirkungen der Prävention aus Sicht der Krankenkassen bewertet. Dafür wurden die Leistungsdaten von mehr als 6,2 Millionen Versicherten analysiert und die Ergebnisse von Präventionsnutzern und Nicht-Nutzern in einem vierjährigen Follow-Up miteinander verglichen. Mithilfe eines Difference-In-Differences-Ansatzes wurden die Leistungsausgaben, die Morbiditätsentwicklung, die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und letztlich die Deckungsbeiträge analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gruppe der Präventionsnutzer im Vergleich zur Kontrollgruppe eine geringere Morbidität entwickelte. Die Präventionsmaßnahmen waren also aus medizinischer Sicht wirksam. In beiden Gruppen stiegen über die vier Jahre hinweg die Gesundheitsausgaben, allerdings war der Anstieg bei den Präventionsnutzern geringer als bei den Nicht-Nutzern (568,04 € vs. 640,60 €). Unter Berücksichtigung morbiditätsbezogener Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds ist der Rückgang der Deckungsbeiträge für die Präventionsnutzer allerdings stärker ausgeprägt als für Nicht-Nutzer (-188,44 € vs. -138,73 €). Somit kann die Studie einen potenziellen wirtschaftlichen Fehlanreiz aus Sicht der Krankenkassen aufzeigen.

Aus präventiver Sicht kann dieser Fehlanreiz nur dann vollständig umgangen werden, wenn vermeidbare Krankheiten von der Refinanzierung ausgeschlossen werden. Eine so drastische Veränderung der Krankheitsauswahl ist bei der Weiterentwicklung des Morbi-RSA allerdings weder praktisch noch zweckmäßig. Es stellt sich also im Allgemeinen die Frage, ob der Morbi-RSA überhaupt der richtige Ansatzpunkt für Präventionsanreize sein kann. In jedem Fall sollte die Gesundheitspolitik neue Wege und finanzielle Anreize entwickeln, um einen angemessenen Rahmen für eine wirksame Prävention durch Krankenkassen zu schaffen.

Unter diesem Link finden Sie weitere Informationen zum European Journal of Health Economics. Außerdem haben Sie dort die Möglichkeit, die englische Studie zu erwerben.

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