Wie viele Proband:innen brauche ich für meine Erprobungsstudie?

Das Ziel einer DiGA-Erprobungsstudie ist, zu zeigen, ob eine Digitale Gesundheitsanwendung einen positiven Versorgungseffekt hat oder nicht. Für die Nachweisführung spielt die Anzahl der Proband:innen eine essenzielle Rolle. Die Berechnung der notwendigen Proband:innenanzahl bedarf einer gründlichen Vorbereitung und hängt von verschiedenen Aspekten ab. Durch eine frühzeitige Planung kann z. B. Studienverläufen entgegengewirkt werden, die mit zu wenigen Studienteilnehmer:innen möglicherweise nicht dazu in der Lage sind, einen positiven Versorgungseffekt der DiGA nachzuweisen, obwohl dieser existiert. 

Das sagt die Theorie

Für die Bestimmung der Größe der Erprobungsstudie bzw. der Anzahl der Proband:innen wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine begründete und nachvollziehbare Fallzahlberechnung gefordert. Diese Berechnung orientiert sich am Hauptziel der Studie, dem sogenannten primären Endpunkt (z. B. Gewichtsreduktion). Da viele DiGA unterschiedliche Krankheitsbilder ansprechen (z. B. Diabetes mellitus, Adipositas), unterschieden sich die Hauptziele von DiGA-Studien (z. B. Senkung des Blutzuckerspiegels, Reduktion des Körpergewichts), was sich wiederum auf die notwendige Anzahl der Proband:innen auswirkt. Diese sogenannten Fallzahlen der individuellen Erprobungsstudien variieren somit sehr stark.

Das sagt die Praxis

Für jede im Verzeichnis des BfArM gelistete DiGA wurde eine studienzielspezifische Berechnung der notwendigen Proband:innenanzahl durchgeführt. Die Anzahl der Studienteilnehmer:innen in Erprobungsstudien von bereits im DiGA-Verzeichnis dauerhaft oder vorläufig gelisteten Anwendungen sind sehr unterschiedlich: So hat der Hersteller der DiGA somnio eine Erprobungsstudie mit 56 Proband:innen durchgeführt und erreichte damit von Beginn an eine dauerhafte Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis. Der Hersteller der DiGA Smoke Free – Rauchen aufhören führt derzeit eine Erprobungsstudie mit 1.442 Proband:innen durch. Zwei Erprobungsstudien werden/wurden mit einer Fallzahl ≤ 100 durchgeführt und 15 mit einer Fallzahl zwischen 101 und 200. Insgesamt 12 DiGA-Hersteller führen/führten die Erprobungsstudie mit einer Fallzahl zwischen 201 und 300 durch. Eine Fallzahl > 300 wurde für 12 Erprobungsstudien berechnet.

Unsere Erfahrung und Expertise

Um die Anzahl der Proband:innen zielführend bestimmen zu können, bedarf es intensiver Vorarbeiten, die sowohl statistische als auch klinische Vorüberlegungen umfassen.

An erster Stelle muss Berücksichtigung finden, dass jede Studie in gewissem Grad mit (statistischen) Fehlern behaftet ist. Es kann geschehen, dass die Studie einen positiven Versorgungseffekt feststellt, obwohl dieser in Wahrheit nicht vorhanden ist (falsch-positives Ergebnis). Gleichsam kann die Studie einen positiven Versorgungseffekt übersehen, obwohl dieser vorhanden ist (falsch-negatives Ergebnis). Zum regulatorischen Standard zählt, dass die Wahrscheinlichkeit in der Studie einen positiven Versorgungseffekt festzustellen, obwohl dieser nicht vorhanden ist, weniger als 5 % beträgt. Die Wahrscheinlichkeit, einen positiven Versorgungseffekt zu übersehen, obwohl dieser vorhanden ist, sollte obligatorisch kleiner als 20 % sein. Hieraus ergibt sich, dass mit einer 80 %igen Wahrscheinlichkeit der vorhandene positive Versorgungseffekt auch tatsächlich nachgewiesen werden kann (sogenannte statistische Power).

Ein wesentlicher Parameter für die Studiengröße ist der kleinste klinisch-relevante Unterschied (minimal clinically relevant difference, MCRD) zwischen den Studiengruppen, der in der Studie untersucht werden soll. Wenn beispielweise die Senkung des Körpergewichts als Ziel der DiGA im Mittelpunkt steht, so könnte ein Unterschied von 5 kg zwischen Interventionsgruppe (Nutzung der DiGA) und Kontrollgruppe (Ernährungsberatung) als kleinster klinisch-relevanter Unterschied definiert werden. Da bereits minimale Änderungen im angenommenen Unterschied zwischen den Studiengruppen enorme Auswirkungen auf die notwendige Proband:innenanzahl haben können, muss die Festlegung des MCRD gut verargumentiert werden. Dies kann literaturbasiert erfolgen, wenn entsprechende Referenzen vorhanden sind.

Auf die notwendige Anzahl der Proband:innen wirkt sich ebenfalls aus, wenn die erhobenen Studiendaten zum positiven Versorgungseffekt sehr stark schwanken bzw. streuen; dies ist meist der Fall, wenn sich die Studienpopulation sehr ungleichmäßig zusammensetzt. Bei einer Studie zum Effekt einer DiGA auf das Körpergewicht wäre die Schwankung oder Streuung beim Einschluss von Proband:innen mit 50 bis 120 kg wahrscheinlich viel größer, als bei Proband:innen mit einem Körpergewicht zwischen 100 und 120 kg. Bei einer großen Streuung in den Studiendaten ist eine größere Anzahl an Proband:innen notwendig, um einen vorhandenen Effekt nachzuweisen. Ob die Studiendaten eine hohe oder eher geringe Streuung aufweisen, ist im Vorfeld der Studie meist nicht bekannt. Entsprechende Werte können daher anderen vergleichbaren Studien entnommen werden oder es wird eine Pilotstudie zur DiGA mit der angedachten Studienpopulation durchgeführt, welche die entsprechenden Werte liefert. 

Zusätzlich ist zu berücksichtigen, wie viele Teilnehmende voraussichtlich vorzeitig aus der Studie ausscheiden werden. Diese Drop-out-Rate sollte zur notwendigen Proband:innenanzahl dazugerechnet werden.

Zudem sollte im Rahmen der Studienplanung genau abgewogen werden, welche Studienziele sinnvoll sind und, damit verknüpft, wie viele Studienendpunkte untersucht werden sollen: Mannigfaltige Studienziele ergeben mögliche Fehlerquellen (die Wahrscheinlichkeiten für falsch-positive oder falsch-negative Ergebnisse steigen), die durch mehrfach durchgeführte Tests an den selben Proband:innen bei der Auswertung auftreten können. Diese müssen bereits im Vorhinein abgefedert und statistisch korrigiert werden. Dieses Vorgehen hat zwangsläufig eine Erhöhung der Fallzahl zur Folge.


Die Bestimmung der Proband:innenanzahl bzw. Studiengröße ist ein komplexer Baustein der Studienplanung, welcher vor allem für den erfolgreichen Nachweis eines tatsächlich vorhandenen Versorgungseffekts entscheidend sein kann. Entsprechend frühzeitig und ausführlich muss die Fallzahlplanung erfolgen – stets in Zusammenarbeit mit erfahrenen Biostatistiker:innen und Fachexpert:innen auf dem Gebiet der DiGA.

DiGA-FAQ // Erprobungsstudie  // Frage 2

Wie viele Proband:innen brauche ich für meine Erprobungsstudie?


Um die Studie in dem einjährigen Erprobungszeitraum erfolgreich zu meistern, ist es essenziell, dass alle Beteiligten Hand in Hand agieren. Als wissenschaftliches Institut können wir in enger Zusammenarbeit mit der Clinical Research Organization (CRO) Greenbay research GmbH den gesamten Forschungsablauf in einem lückenlos geplanten und kontinuierlich abgestimmten Workflow anbieten – von der Studienplanung und -durchführung über die Datenanalyse und Berichterstellung bis hin zur fach- und zielgruppengerechten Publikation der Ergebnisse.

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