Wie rekrutiere ich meine Proband:innen für die Erprobungsstudie?

Die Rekrutierung der Patient:innenpopulation ist ein wesentlicher Faktor für die Durchführung einer Erprobungsstudie. Eine durchdachte Rekrutierungsstrategie verhilft entscheidend zum Erfolg der Studie. In einem unzureichenden Konzept zur Gewinnung geeigneter Proband:innen liegt hingegen die Hauptursache für Studienverzögerungen und damit einhergehende Zusatzaufwände. Entsprechend wichtig ist es, die verschiedenen Aspekte der Rekrutierung im Voraus professionell zu planen.

Das sagt die Theorie

Für eine Erprobungsstudie mit aussagekräftigen Ergebnissen gilt es, im Vorfeld zu berechnen, wie viele Patient:innen in die Studie eingeschlossen werden müssen. Wird diese Fallzahl nicht erreicht, ist die Studie „underpowered“ und es besteht ein erhöhtes Risiko, dass der positive Versorgungseffekt der untersuchten DiGA nicht gefunden wird, obwohl dieser vorhanden ist.

Bei DiGA-Erprobungsstudien ist der Zeitraum für die Durchführung zudem begrenzt. Nach zwölf Monaten muss die Studie beendet sein. Ist es nicht möglich, die notwendige Fallzahl z. B. aufgrund einer schlechten Strategie im geplanten Rekrutierungszeitraum abzubilden, müsste die Studiendauer verlängert werden bis alle Patient:innen rekrutiert sind. Obgleich die Option zur begründeten Verlängerung der Studie besteht, ist die Bewilligung nach einer individuellen Beurteilung nicht garantiert und erfolgt bei Gewährung nur schrittweise. Eine sukzessive Studienverlängerung stellt während der Rekrutierungsphase zum Studienbeginn keine praktikable Option dar. Eine Anpassung der Laufzeit erfordert außerdem eine Anpassung des gesamten Studienzeitplans und führt in vielen Fällen zu Mehrkosten.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) fordert zur Planung der Erprobungsstudie eine transparente Darlegung der gewählten Rekrutierungsmethode(n). Dazu sollten Informationen zu Ort und Art der Rekrutierung dargestellt werden. In jedem Falle bedarf es der erläuterten Festlegung, ob die Rekrutierung monozentrisch, d. h. an einem klinischen Zentrum (z. B. einer Krankenhausabteilung oder Praxis), oder multizentrisch, d. h. an mehreren klinischen Zentren, durchgeführt wird. Dies hat den Hintergrund, dass die Wahl der Rekrutierungsmethode(n) unmittelbare Folgen für die Zusammensetzung der Studienpopulation hat. Auch die Online-Rekrutierung (z. B. über eine Studienwebsite oder soziale Medien) gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung.

Das sagt die Praxis

Der Großteil der DiGA-Herstellenden entschied sich für eine ausschließlich multizentrische Rekrutierung (n=14), acht Herstellende führten eine monozentrische Rekrutierung durch und zehn Herstellende rekrutierten ausschließlich online. Eine multizentrische Rekrutierung in Kombination mit Online-Rekrutierung erfolgte in einer DiGA-Studie und eine monozentrische Rekrutierung in Kombination mit Online-Rekrutierung erfolgte in sechs Studien.

Unsere Erfahrung und Expertise

Häufig wird das Rekrutierungspotential von Patient:innen, die die Einschlusskriterien erfüllen, vor Studienbeginn weit überschätzt, was sich erst während der Studiendurchführung herausstellt und zu einem verzögerten Einschluss von Patient:innen führt. Dieses Phänomen ist als Lasagna´s Law bekannt. Daher sollte während der Studienvorbereitung genau geprüft werden, ob die vorgesehene Rekrutierungsstrategie eine realistische Chance hat, in der (1) vorgesehenen Zeit (2) ausreichend Patient:innen in die Studie einzuschließen.

Eine nicht repräsentative Auswahl von Studienteilnehmenden, die sog. Auswahlverzerrung, stellt eine der wichtigsten Störquellen überhaupt dar.
Fehler bei der Rekrutierung können Folgen für die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf die zukünftige Population der Nutzenden haben. Schlimmstenfalls lassen sich die Ergebnisse aus der Erprobungsstudie bei Nutzenden der DiGA später in der Versorgungsrealität nicht beobachten.

Patient:innen können auf unterschiedliche Weise für die Teilnahme an einer DiGA-Erprobungsstudie gewonnen werden – z. B. über ärztliche Praxen, Kliniken, Online- sowie Printmedien und Patient:innenorganisationen. Der Weg über welchen Patient:innen in eine Studie gelangen, kann einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Studienpopulation haben (z. B. weil jüngere Menschen tendenziell mehr Onlinekanäle und ältere Menschen mehr Printmedien nutzen). Ebenso kann die monozentrische Rekrutierung über ein einziges Studienzentrum dazu führen, dass nur ein bestimmtes Patienten:innenklientel eingeschlossen wird. In der Regel empfiehlt es sich also, Studien mit mehreren Studienzentren multizentrisch durchzuführen. Neben der Generalisierbarkeit wird dadurch auch die Rekrutierungsgeschwindigkeit erhöht.

Bei traditionellen Offline-Rekrutierungsstrategien kann der Standort der Studienzentren die Vielfalt der Teilnehmenden beeinträchtigen, da Patient:innen lediglich innerhalb eines begrenzten Umkreises rekrutiert werden können. Studien, insbesondere solche mit digitalen Produkten, können dezentral durchgeführt werden. Bei diesen sogenannten Decentralized Clinical Trials (DCT) handelt es sich um Studien, die nicht in einem Prüfzentrum oder einer Praxis vor Ort, sondern aus der Ferne durchgeführt werden. Die Proband:innen können dadurch im Verlauf der Studie größten Teils zu Hause bleiben. Dezentralisierte Studien bieten den Vorteil, dass eine große Anzahl von Patient:innen in kürzerer Zeit unabhängig von regionalen Studienzentren rekrutiert werden kann. Nachteile dieser Vorgehensweise bestehen beispielsweise in der Identifizierung geeigneter Patient:innen und der Gewährleistung der Einhaltung ethischer Grundsätze. So trägt die Verantwortung für den Schutz von Versuchspersonen bspw. immer ein:e Ärzt:in oder anderer Professionelle eines Heilberufes – sie liegt unter keinen Umständen in den Händen der Versuchsperson selbst.

Beim Einsatz von Informations- und Werbematerialien zur Gewinnung von Patient:innen ist es unbedingt notwendig, diese vorab von der zuständigen Ethikkommission genehmigen zu lassen. Dieses Vorgehen dient dem Schutz von Patient:innen und Prüfärzt:innen vor ethisch nicht vertretbaren oder rechtlich unzulässigen Handlungen, wie falschen Versprechungen zu Teilnahme-Benefits.

DiGA-FAQ // Erprobungsstudie  // Frage 3

Wie rekrutiere ich meine Proband:innen für die Erprobungsstudie?


Die Entwicklung einer wirksamen Rekrutierungsstrategie ist ein essenzieller Teil der Studienplanung. Als wissenschaftliches Institut können wir in enger Zusammenarbeit mit der Clinical Research Organization (CRO) GREENBAY research GmbH den gesamten Forschungsablauf in einem lückenlos geplanten und kontinuierlich abgestimmten Workflow anbieten – von der Studienplanung und -durchführung über die Datenanalyse und Berichterstellung bis hin zur fach- und zielgruppengerechten Publikation der Ergebnisse. DiGA-Erprobungsstudien können bei uns als zentrumsbasierte oder als dezentrale klinische Studien durchgeführt werden. Unser DiGA-Experte Tonio Schönfelder steht Ihnen gern für Rückfragen zur Verfügung.

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