Wie lange soll ich meine Proband:innen in der Erprobungsstudie beobachten?

Das sagt die Theorie

Konkrete Vorgaben zu Beobachtungszeiträumen und Erhebungszeitpunkten im Rahmen der Erprobungsstudien gibt es im aktuellen (Stand: 13.04.2023) DiGA-Leitfaden des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) nicht. Als sinnvoll wird gemäß des BfArMs eine Baseline-Datenerhebung, also eine Erhebung von Daten vor der DiGA-Nutzung, erachtet. Zudem sollten die Erhebungszeiträume und auch mögliche Nachbeobachtungen (sog. Follow-ups) nach der Interventionsphase beschrieben und im wissenschaftlichen Evaluationskonzept begründet werden. Grundlage für diese Begründungen können die durchgeführte systematische Literaturrecherche und/oder Pilotstudiendaten sein, welche mit der DiGA während der systematischen Nutzungsdatenauswertung (Pilotstudie) gesammelt wurden.

Das sagt die Praxis

Zum 04.05.2023 sind 45 Anwendungen im DiGA-Verzeichnis gelistet; davon 18 dauerhaft. Die meisten DiGA-Herstellenden wählten für den Nachweis des positiven Versorgungseffekts ihrer DiGA einen Beobachtungszeitraum von 12 Wochen (n=28). Der kürzeste Beobachtungszeitraum betrug 7 Wochen und wurde von den Herstellenden der DiGA HelloBetter Stress und Burnout für den Nachweis des primären medizinischen Nutzens in Form einer Verringerung der Stressbeanspruchung erfolgreich genutzt. Der längste Beobachtungszeitraum betrug 12 Monate und wurde von den Herstellern der DiGA Kaia Rückenschmerzen - Rückentraining für Zuhause für den Nachweis des primären medizinischen Nutzens in Form einer Reduktion der Schmerzintensität erfolgreich genutzt.

Unsere Erfahrung und Expertise

Das BfArM verlangt eine Beschreibung der Baseline-Daten, der Beobachtungszeiträume und der Nachbeobachtungszeiten, lässt den Herstellern aber Flexibilität bei der Begründung der konkreten Beobachtungszeiträume. Diese Begründung ist sowohl für das Evaluationskonzept als auch für das Studienprotokoll von zentraler Bedeutung und bedarf daher einer umfassenden Literaturrecherche. Es sollte gezeigt werden, dass vergleichbare Studien (d.h. Vergleichbarkeit hinsichtlich der gewählten Studienpopulation, der eingesetzten Intervention, den untersuchten Outcomes und dem dafür verwendeten Studiendesign) im genannten Beobachtungszeitraum signifikante Effekte erzielt haben. Die Suche nach genau diesen vergleichbaren Studien ist häufig langwierig und bedarf daher einem strukturierten Rechercheprozess. Im Rahmen der systematischen Literaturrecherche sollte der Verargumentation des Beobachtungszeitraums daher bereits ausreichend Zeit gewidmet werden.

Es ist vor allem wichtig, einen Beobachtungszeitraum plausibel zu begründen, der zur gewählten Indikation und zur konkreten Intervention passt:

Eine DiGA zur Verbesserung des Lebensstils von Patient:innen mit Diabetes mellitus adressiert als primären Endpunkt die Verbesserung des Blutzuckerwertes (HbA1c). Der HbA1c-Wert gibt an, wieviel Blutzucker sich innerhalb der letzten 8-12 Wochen prozentual an die roten Blutkörperchen gebunden hat. Damit ist ein Beobachtungszeitraum von mindestens zwei Monaten erforderlich. DiGA-Herstellende wie vitadio haben einen Beobachtungszeitraum von drei Monaten gewählt, da dieser ausreicht, um signifikante Veränderungen des HbA1c-Wertes und weiterer Stoffwechselparameter nachzuweisen.

Eine DiGA zur Verbesserung des Selbstmanagements von Patient:innen mit einer Suchterkrankung adressiert die Verbesserung des Gesundheitszustands über die Reduktion der Suchtsymptomatik (beispielsweise Alkoholkonsum, Rauchen). DiGA-Herstellende, die mittels ihrer Anwendung eine Verhaltensänderung anstreben, sollten ausreichend Zeit einplanen, um diese zu erreichen. Je komplexer die Verhaltensänderung ist, desto mehr Zeit braucht es, bis diese zum Automatismus wird und entsprechend länger sollte der Beobachtungszeitraum der wissenschaftlichen Studie sein. Daher sind bei DiGA, die eine Suchtproblematik adressieren, längere Beobachtungszeiträume zu erkennen. Dies zeigen beispielsweise die NichtraucherHelden-App oder Smoke Free - Rauchen aufhören mit einem Beobachtungszeitraum von sechs Monaten oder auch die Hersteller von vorvida, die Patient:innen mit psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol adressieren, mit einem Beobachtungszeitraum von ebenfalls sechs Monaten.

Wenn der Beobachtungszeitraum kürzer als der spätere Verordnungszeitraum ist, ist es außerdem ratsam, die Übertragbarkeit der erzielten Wirkung(en) auf den Verordnungszeitraum zu begründen.

Um die Studie im geplanten Erprobungszeitraum und mit einer realistischen Beobachtungsdauer erfolgreich zu meistern, ist es essenziell, dass alle Beteiligten Hand in Hand agieren.

DiGA-FAQ // Erprobungsstudie  // Frage 3

Wie rekrutiere ich meine Proband:innen für die Erprobungsstudie?


Die Entwicklung einer wirksamen Rekrutierungsstrategie ist ein essenzieller Teil der Studienplanung. Als wissenschaftliches Institut können wir in enger Zusammenarbeit mit der Clinical Research Organization (CRO) GREENBAY research GmbH den gesamten Forschungsablauf in einem lückenlos geplanten und kontinuierlich abgestimmten Workflow anbieten – von der Studienplanung und -durchführung über die Datenanalyse und Berichterstellung bis hin zur fach- und zielgruppengerechten Publikation der Ergebnisse. DiGA-Erprobungsstudien können bei uns als zentrumsbasierte oder als dezentrale klinische Studien durchgeführt werden. Unser DiGA-Experte Tonio Schönfelder steht Ihnen gern für Rückfragen zur Verfügung.

Mehr zum Leistungsangebot des WIG2 Instituts für Herstellende von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach §33a und §139e SGB V