Wie definiere ich die Studienpopulation für meine Erprobungsstudie?

Das sagt die Theorie

Der Nachweis des positiven Versorgungseffekts (pVE) einer DiGA muss für eine spezifische und klar definierte Patient:innenpopulation erfolgen. Im Falle einer erfolgreichen Nachweisführung und damit einer Listung im DiGA-Verzeichnis kann die DiGA nur für diese zuvor definierte Patient:innenpopulation verordnet und erstattet werden. Diese Definition erfolgt auf der Basis einer oder mehrerer Indikationen (ICD-10-Codes), wobei gemäß des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausschließlich drei- oder vierstellige ICD-10-Codes zulässig sind.

Gibt ein/:/eine Herstellende:r mehrere Indikationen an, so muss der pVE auch für alle angegebenen Indikationen gesondert nachgewiesen werden. Sind diese jedoch mit Blick auf den nachzuweisenden pVE vergleichbar und erscheint eine Zusammenfassung sinnvoll, dann kann der Nachweis auch gemeinsam für mehrere Indikationen erbracht werden. Voraussetzung dafür ist es, dass die untersuchte Studienpopulation all diese Indikationen abdeckt und eine detaillierte Begründung hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Indikationen vorliegt.

Beachtet werden sollte dabei auch, dass sowohl im Rahmen der Erprobungsstudie als auch in der späteren Versorgungsrealität die Diagnosestellung immer durch eine:n Arzt/:/Ärztin oder durch eine:n Psychotherapeuten/:/Psychotherapeutin erfolgen muss.

Das sagt die Praxis

Zum 25.05. sind 47 Anwendungen im DiGA-Verzeichnis gelistet; davon 18 dauerhaft. Die meisten DiGA (n=24) lassen sich dem Indikationsbereich Psyche zuordnen. Weitere Indikationen umfassen die Bereiche Muskeln, Knochen und Gelenke (n=5); Hormone und Stoffwechsel (n=4); Nervensystem (n=3); Geschlechtsorgane, Nieren und Harnwege (n=2); Krebs (n=2); Ohren (n=2); sonstige Bereiche (n=2); Atemwege (n=1), Verdauung (n=1) sowie Herz und Kreislauf (n=1). Außerdem zeigt das DiGA-Verzeichnis, dass die meisten Anwendungen den Nachweis des pVE für eine (n=20) oder zwei (n=12) Indikationen erbracht haben. Eine Ausnahme stellt der/:/die Herstellende der DiGA vivira dar, dessen Anwendung für insgesamt 20 verschiedene Indikationen verordnet werden kann. Zudem wird deutlich, dass – entgegen den Ausführungen im DiGA-Leitfaden des BfArM – die Listung von DiGA, die den Nachweis des pVE für 5-stellige ICD-10-Codes erbrachten, möglich ist. Dies zeigen beispielsweise DiGA-Herstellende wie companion patella powered by medi - proved by Dt. Kniegesellschaft (M79.66 Schmerzen in den Extremitäten: Unterschenkel [Fibula, Tibia, Kniegelenk]), HelloBetter Panik (F40.01 Agoraphobie: Mit Panikstörung), HelloBetter ratiopharm chronischer Schmerz (F45.40 Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) oder priovi - digitale Unterstützung der Borderline-Behandlung (F60.31 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung: Borderline-Typ). 

Unsere Erfahrung und Expertise

Die meisten DiGA-Herstellenden erbringen den Nachweis des pVE für eine oder zwei Indikationen. Auch unsere Erfahrung zeigt, dass die Patient:innenpopulation möglichst homogen sein sollte, um einen pVE nachweisen zu können. Sind die adressierten Indikationen hinsichtlich des nachzuweisenden pVE vergleichbar und erscheint eine Zusammenfassung sinnvoll, dann kann der Nachweis auch gemeinsam für mehrere Indikationen erbracht werden. Hier zeigt unsere Erfahrung, dass dazu zunächst eine detaillierte Beschreibung der Versorgungsrealität notwendig ist. Dazu sollte vor allem herausgestellt werden, dass die Versorgungsrealität über die einzelnen Indikationen hinweg möglichst homogen ist. Ist sie das nicht, bedarf es einer wissenschaftlichen Begründung der Übertragbarkeit dieser Versorgungsrealität auf andere Indikationen. Diese Punkte sollten bereits im Zuge der systematischen Literaturrecherche bedacht und berücksichtigt werden.

Zwar legt das BfArM im Herstellenden-Leitfaden eindeutig fest, dass eine Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis nur bei drei- oder vierstelligen ICD-10-Codes möglich ist; jedoch haben Herstellende wie Hello Better Panik, Velibra oder Zanadio eine dauerhafte Listung mit nur einem fünfstelligen ICD-10-Code erreicht.

Wird angestrebt, dass eine DiGA für alle Geschlechtszugehörigkeiten und alle Altersgruppen verordnet werden soll, so müssen im Rahmen der Erprobungsstudie ausreichend Daten für die verschiedenen Ausprägungen beider Variablen gesammelt werden. Ein Beispiel: Eine DiGA adressiert Patient:innen mit Bluthochdruck. An der Erprobungsstudie nehmen überwiegend Frauen teil; aufgrund der geringen absoluten Anzahl an männlichen Teilnehmern und des damit nicht klar nachgewiesenen pVE für diese Patientengruppe wird die Verordnungsfähigkeit auf das weibliche Geschlecht eingeschränkt.

Wichtig ist außerdem, alle relevanten Charakteristika der Studienpopulation zu erfassen und zu dokumentieren, um mögliche Beeinflussungen der erzielten Effekte (z. B. durch Co-Interventionen wie eine begleitende Therapie oder zusätzlich eingesetzte Medikamente) ausschließen zu können. Ein Beispiel: Innerhalb der Erprobungsstudie werden Patient:innen mit der ärztlich gesicherten Diagnose Rückenschmerzen (ICD-10-Code M54) eingeschlossen. Im Zuge der einzelnen Datenerhebungszeitpunkte werden die eingenommenen Medikamente und die begleitenden Therapien abgefragt. So kann sichergestellt werden, dass der nachgewiesene pVE nicht etwa auf ein eingenommenes Schmerzmedikament oder eine Physiotherapie zurückzuführen ist.

Und noch ein letzter Tipp: Die Indikations- bzw. Diagnosestellung muss immer durch eine:n Arzt/:/Ärztin oder durch eine:n Psychotherapeuten/:/Psychotherapeutin erfolgen. Auch hier gibt es Besonderheiten, denn nicht nur ärztliche Bescheinigungen können in Betracht gezogen werden, sondern auch der Nachweis der Diagnose über strukturierte Interviews mit geschulten Interviewer:innen (beispielsweise mittels des Mini-International-Neuropsychiatric-Interviews (MINI)).

 

 

 

DiGA-FAQ // Erprobungsstudie  // Frage 5

Das DiGAFAQ des WIG2 Instituts greift die Fragen auf, die in unserer bisherigen Zusammenarbeit mit DiGA-Herstellenden häufig gestellt wurden.

 


 

Als wissenschaftliches Institut unterstützen wir DiGA-Herstellenden bei der Planung, Durchführung und Analyse der Erprobungsstudie. Wir stellen sicher, dass die Ergebnisaufbereitung den formalen Anforderungen des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) entspricht und bestmöglich auf das erstellte Evaluationskonzept für den DiGA-Fast-Track einzahlt. 

Mehr zum Leistungsangebot des WIG2 Instituts für Herstellende von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach §33a und §139e SGB V