Welches Studiendesign soll ich für meine Erprobungsstudie wählen?

Das sagt die Theorie

Das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) fordert für den Nachweis eines positiven Versorgungseffekts (pVE) einer DiGA eine quantitative Studie; qualitative Studien werden als nicht ausreichend erachtet. Dabei muss mindestens eine retrospektive, vergleichende Studie (z. B. Fall-Kontroll-Studie, retrospektive Kohortenstudie, intraindividueller Vergleich) durchgeführt werden. „Retrospektiv“ bedeutet, dass bereits in der Vergangenheit gesammelte Daten (z. B. krankheitsbezogene Registerdaten, Abrechnungsdaten von Krankenkassen) analysiert werden. „Vergleichend“ setzt voraus, dass ein Vorher-Nachher-Vergleich innerhalb einer Patientengruppe oder ein Vergleich gegen eine Kontrollgruppe durchgeführt wird. Anstelle eines retrospektiven Vorgehens können DiGA-Hersteller auch prospektive, vergleichende Studien (z. B. nichtrandomisierte oder randomisierte kontrollierte Studien) und damit Studien mit einer höheren Evidenzstufe durchführen. „Prospektiv“ bedeutet, dass Daten zielgerichtet zur Beantwortung der im Vorfeld aufgestellten Hypothesen erhoben werden. Die Verwendung des Studiendesigns hängt von der Art der DiGA und dem angestrebten pVE ab und ist vom Hersteller frei wählbar – solange eine quantitative, vergleichende Studie durchgeführt wird.

Das sagt die Praxis

Zum 20.06. sind 47 Anwendungen im DiGA-Verzeichnis gelistet; davon 18 dauerhaft. Alle dauerhaft gelisteten DiGA (n=18) haben eine randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) durchgeführt, um den Nachweis des pVE zu erbringen. Auch alle vorläufig gelisteten DiGA (n=29) führen aktuell eine RCT durch.

Unsere Erfahrung und Expertise

Die Umsetzbarkeit retrospektiver Studien für den Nachweis eines pVE wird dadurch erschwert, dass häufig nicht alle erforderlichen Daten bzw. teilweise nicht in ausreichender Qualität vorliegen. Bei den DiGA-Studien ist es wichtig, dass insbesondere alle relevanten Charakteristika der Studienpopulation erfasst und dokumentiert werden, um mögliche Beeinflussungen der erzielten Effekte (z. B. durch Co-Interventionen wie eine begleitende Therapie oder zusätzlich eingesetzte Medikamente) ausschließen zu können (siehe DiGA-FAQ Frage 5). Häufig enthalten bereits vorhandene Datensätze nicht all diese Charakteristika, weshalb Hersteller auf prospektiv gesammelte Daten zurückgreifen.

Der Vorteil prospektiver DiGA-Studien besteht darin, dass genau die Daten erhoben werden können, die für den Nachweis des pVE erforderlich sind. Grundvoraussetzung dafür ist eine sehr gute und lückenlose Planung der Studie, die auch eine systematische Recherche aller relevanten Patientencharakteristika, (beeinflussenden) Variablen und relevanten Endpunkte umfasst. Sollte sich im Studienverlauf herausstellen, dass bestimmte Variablen (z. B. zusätzliche Unterstützungsprogramme) den pVE beeinflussen könnten, diese aber nicht erhoben wurden, so ist es erforderlich, diese Variablen nachträglich zu erheben, im Rahmen von Subgruppenanalysen auszuwerten und deren Auswirkung auf den pVE zu analysieren.

RCTs haben gegenüber nicht-randomisierten Studien den Vorteil, dass die Randomisierung mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer besseren Vergleichbarkeit der beiden untersuchten Studiengruppen hinsichtlich bekannter und auch unbekannter Variablen führt. RCTs sind die beste Möglichkeit, um kausale Beziehungen zwischen einer Intervention und einem Ergebnis nachzuweisen. Damit gelten RCTs als Goldstandard für die Evaluation der Wirksamkeit von (digitalen) Interventionen. Herausforderungen von DiGA-RCTs zum Nachweis eines pVE liegen in der zu engen Definition von Ein- und Ausschlusskriterien, die zum einen die Rekrutierung erschweren und zum anderen die Übertragbarkeit der Ergebnisse einschränken können. Auch die fehlende Verblindung der Proband:innen bei Studien mit digitalen Interventionen kann eine Herausforderung darstellen, da die Proband:innen um ihre Gruppenzugehörigkeit wissen und damit auch erfahren, ob sie die digitale Intervention erhalten haben oder nicht; was wiederrum zum Verlust der Motivation und damit zum vorzeitigen Ausscheiden aus der Studie (sog. Drop-Out) führen kann. Eine Möglichkeit, um diese Herausforderung zu umgehen ist die Konzeption einer Placebo-Applikation. Diese erhöht jedoch zum einen den (finanziellen) Aufwand und stellt zum anderen nicht die Standardversorgung dar, weshalb die meisten DiGA-Hersteller die fehlende Verblindung in Kauf nehmen.

 

 

DiGA-FAQ // Erprobungsstudie // Frage 6

Das DiGAFAQ des WIG2 Instituts greift die Fragen auf, die in unserer bisherigen Zusammenarbeit mit DiGA-Herstellern häufig gestellt wurden.

 


 

Als wissenschaftliches Institut unterstützen wir DiGA-Hersteller bei der Planung, Durchführung und Analyse der Erprobungsstudie. Wir stellen sicher, dass die Ergebnisaufbereitung den formalen Anforderungen des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) entspricht und bestmöglich auf das erstellte Evaluationskonzept für den DiGa-Fast-Track einzahlt.

Mehr zum Leistungsangebot des WIG2 Instituts für Hersteller von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach §33a und §139e SGB V