Wie konzeptioniere ich die Kontrollgruppe für meine Erprobungsstudie?

Das sagt die Theorie

Für den Nachweis eines positiven Versorgungseffekts (pVE) einer DiGA müssen Hersteller die Ergebnisse einer vergleichenden Studie vorlegen. Die Konzeption der Vergleichsgruppe muss sich an der konkreten Versorgungsrealität der gewählten Indikation orientieren. Als Vergleichsgruppe sieht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (1) die Behandlung ohne die Nutzung einer DiGA, (2) die Nichtbehandlung oder (3) den Vergleich mit einer bereits dauerhaft im DiGA-Verzeichnis gelisteten Anwendung vor.

Das sagt die Praxis

Zum 09.08.23 sind 48 Anwendungen im DiGA-Verzeichnis gelistet; davon 23 dauerhaft. Alle DiGA-Hersteller wählten die Standardversorgung für die Konzeption der Kontrollgruppe, da diese eine grundlegende Anforderung des BfArM ist. 23 DiGA-Hersteller wählten zusätzlich ein Wartekontrollgruppendesign, sodass die Kontrollgruppe im Anschluss an die Studie ebenso Zugang zur DiGA erhal-ten hat. Zwei DiGA-Hersteller konzipierten eine Placebo-App (mebix und Smoke Free - Rauchen aufhören). Eine weitere Möglichkeit bestand in der Bereitstellung von Informationen zum spezifischen Krankheitsbild ergänzend zur Standardversorgung, die von sechs DiGA-Herstellern genutzt wurde. Einen Vergleich mit einer bereits dauerhaft gelisteten Anwendung hat bisher noch kein Hersteller durchgeführt.

Unsere Erfahrung und Expertise

Grundvoraussetzung für die richtige Konzeption der Kontrollgruppe ist die detaillierte Beschreibung der Standardversorgung. Diese sollte nicht nur möglichst detailliert, sondern auch literaturbasiert erfolgen. Häufig argumentieren Hersteller, dass die Standardversorgung zwar definiert ist, die praktische Umsetzung jedoch anders aussieht. Diese praktische Umsetzung kann nur dann für die Konzeption der Kontrollgruppe genutzt werden, wenn für diese auch Belege aus der wissenschaftlichen Literatur existieren.

Häufig ist es ratsam, auf Leitlinien oder auch Disease-Management-Programme (DMP) zurückzugreifen. Dies birgt jedoch auch gewisse Herausforderungen für Hersteller: Beinhaltet die Standardversorgung beispielsweise eine Physiotherapie, so kann es schwierig sein, eine Überlegenheit der Interventionsgruppe (DiGA-Nutzung + Physiotherapie) gegenüber der Kontrollgruppe (ausschließlich Physiotherapie) zu zeigen. Dass dies jedoch ein gangbarer Weg ist, zeigt der Hersteller der DiGA Vivira.

Schließt eine DiGA eine Versorgungslücke, indem sie beispielsweise die Wartezeit auf eine konkrete Behandlung (z. B. eine Psychotherapie) überbrückt, so ist ein Vergleich mit Patient:innen, die während des Wartezeitraums nicht behandelt werden, am besten geeignet. In diesem Fall wird die Interventionsgruppe (DiGA-Nutzung) mit der Kontrollgruppe (Nichtbehandlung) verglichen. Die Überlegenheit ist damit häufig „einfacher“ nachzuweisen.

Der Vergleich mit einer bereits dauerhaft im DiGA-Verzeichnis gelisteten Anwendung wird immer relevanter, je mehr Listungen es im Verzeichnis gibt. Bisher sind 23 DiGA dauerhaft gelistet, 13 davon aus dem Indikationsbereich der Psyche. Gerade für Hersteller aus diesem Indikationsbereich wird diese Vergleichsart zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Eine vierte Möglichkeit für die Konzeption der Kontrollgruppe ist die Nutzung einer „Placebo-App“. Dies kann beispielswiese eine reduzierte Variante der DiGA sein, die lediglich Informationen vermittelt, aber keine interaktiven Elemente enthält. Die DiGA-Hersteller der Anwendung Smoke Free - Rauchen aufhören haben mit ihrer textbasierten Schein-App gezeigt, dass dies eine geeignetes Mittel ist. Diese Variante bietet einen weiteren Vorteil: Durch die Erstellung einer Placebo-App ist den Teil-nehmenden der Studie nicht bekannt, ob sie der Interventions- oder der Kontrollgruppe zugeteilt wurden; somit ist eine Verblindung der Studie auf der Seite der Teilnehmenden möglich.

Und ein letzter Tipp: Um die Motivation der Teilnehmenden – vor allem innerhalb der Kontrollgruppe – aufrecht zu erhalten, ist ein Wartekontrollgruppendesign sinnvoll. Diese bereits vielfach von DiGA-Herstellern genutzte Variante ermöglicht, dass die Teilnehmenden der Kontrollgruppe nach Ablauf der Studie ebenso Zugang zur DiGA erhalten. Weil eine Verblindung auf der Seite der Teil-nehmenden von Studien mit digitalen Interventionen häufig nur schwierig und mit einem erhöhten Aufwand umzusetzen ist, wissen die Teilnehmenden, ob sie der Interventions- oder der Kontrollgruppe angehören. Gerade für die Kontrollgruppe kann der Anreiz einer späteren DiGA-Nutzung dazu beitragen, die Motivation der Studienteilnahme aufrecht zu erhalten und so ein systematisches Ausscheiden von Studienteilnehmenden (sog. Drop-Out) zu vermeiden.

 

 

DiGA-FAQ // Erprobungsstudie // Frage 7

Das DiGAFAQ des WIG2 Instituts greift die Fragen auf, die in unserer bisherigen Zusammenarbeit mit DiGA-Herstellern häufig gestellt wurden.

 


 

Als wissenschaftliches Institut unterstützen wir DiGA-Hersteller bei der Planung, Durchführung und Analyse der Erprobungsstudie. Wir stellen sicher, dass die Ergebnisaufbereitung den formalen Anforderungen des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) entspricht und bestmöglich auf das erstellte Evaluationskonzept für den DiGa-Fast-Track einzahlt.

Mehr zum Leistungsangebot des WIG2 Instituts für Hersteller von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach §33a und §139e SGB V