EVA TIBAS

Evaluation zur Beurteilung der Wirksamkeit eines Modellvorhabens in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Baden-Württemberg

Seit Oktober 2017 wird über einen Gesamtzeitraum von acht Jahren ein Modellvorhaben in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) am Universitätsklinikum Tübingen (UKT) erprobt. Der Fokus dieses Vorhabens liegt darauf, Patient:innen frühzeitig aus der vollstationären Behandlung entlassen zu können und ab dann im Rahmen einer Therapeutischen Intensivbehandlung im Ambulanten Setting (TIBAS) zu versorgen. Die AOK Baden-Württemberg und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) haben dieses Versorgungskonzept gemeinsam mit dem UKT entwickelt. Ob das Modell gegenüber der Regelversorgung Vorteile bringt, wird seit Mitte 2020 im Auftrag der beiden gesetzlichen Krankenkassen evaluiert. Die Studie wird unter der Leitung des Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) in Zusammenarbeit mit der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, dem WIG2 Institut und dem Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg durchgeführt.

Modellvorhaben

Die Behandlungsform TIBAS ist sektorenübergreifend angelegt und in flexible Behandlungsstufen unterteilt. Es wurden vier TIBAS-Stufen mit jeweils unterschiedlichen Behandlungsintensitäten und -frequenzen entwickelt, die je nach Bedarf flexibel zum Einsatz kommen. Mit diesem System sollen unter anderem die stationäre Verweildauer verkürzt, die Symptombelastung verringert und eine schnellere Rückkehr in psychosoziale Lebensstrukturen ermöglicht werden. Während der gesamten Behandlungsdauer werden die Patient:innen von persönlichen Case Manager:innen begleitet und über ein sektorenübergreifendes Versorgungsnetz betreut. So wird die medizinische Versorgung in bestimmten Fällen beispielsweise durch den Sozialen Dienst der AOK Baden-Württemberg ergänzt, um die Kinder und Jugendlichen und insbesondere deren Familien zu unterstützen. Damit soll eine solide Gesamtsituation der Familie geschaffen und somit Behandlungserfolge nachhaltig gesichert werden.

Studienkonzept

Erzielt das entwickelte Modellvorhaben bessere patientenbezogene Ergebnisse als die Regelversorgung? Und dies bei maximal gleichen Kosten? Diese Fragestellung erforschen wir zusammen mit unseren Kooperationspartnern anhand einer kontrollierten Kohortenstudie. Im Fokus stehen dabei die Modellziele einer Verkürzung stationärer Verweildauern unter Einsatz (intensiv-) ambulanter Behandlungsformen, Reduktionen der kumulierten psychiatrischen Behandlungsdauern und Notfallaufnahmequoten, Verringerungen in der Symptombelastung, sowie die raschere Rückkehr in psychosoziale Lebensbezüge und höhere Lebensqualität der Patient:innen. Zudem wird ermittelt, ob sich die Kosten der Interventionsgruppe günstiger entwickeln und ob TIBAS eine kosteneffektive Strategie zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen darstellt.

In der Studie werden sowohl Routinedatenanalysen auf Basis von anonymisierten GKV-Daten sowie quantitative Primärdatenanalysen (Fragebögen) als auch qualitative Methoden (Einzelinterviews und Fokusgruppen) herangezogen. Das Grunddesign der Studie sieht die Gegenüberstellung der Ergebnisse zweier Patient:innengruppen vor – einerseits die Interventionsgruppe am UKT und andererseits eine Gruppe vergleichbarerer Patient:innen, die in strukturähnlichen Kliniken der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Bundeslandes Baden-Württemberg behandelt werden. Begleitet wird diese Evaluation durch einen wissenschaftlichen Beirat aus Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP) und des Bundesverbands der Angehörigen psychisch Kranker (BApK).

Am WIG2 Institut ist unser Kollege Roman Kliemt (links) maßgeblich an dem Projekt beteiligt. Die Teilprojektleitung am WIG2 Institut erfolgt durch Ines Weinhold (rechts).

Laufzeit der Studie: 2020–2024

Stand: Februar 2021