WIG2 Institut bei der Frühjahrstagung des BV Geriatrie 2019

Am 14. Mai 2019 fand die jährliche interne Frühjahrstagung des Bundesverbands Geriatrie im Novotel Berlin Am Tiergarten statt. Besucher hatten die Möglichkeit, Vorträge zu verschiedensten aktuellen Branchenthemen anzuhören – von der Diskussion einer neuen Pflegefinanzierung, den Perspektiven einer sektorenübergreifenden Vergütung ärztlicher Leistungen, bis hin zu aktuellen Überlegungen zur Finanzierung der Rehabilitation im Bereich der Rentenversicherung. Auch das WIG2 Institut war bei der Frühjahrstagung vertreten: Unser Wissenschaftlicher Mitarbeiter Roman Kliemt referierte zum Thema „Modellprojekte zur Versorgung psychisch erkrankter Menschen nach § 64b SGB V“ und präsentierte erste Ergebnisse der bundeseinheitlichen Evaluation.

Um den verschiedenen Anreizsystemen zur Vermeidung oder Verkürzung stationärer Aufenthalte entgegenzuwirken, trat im Jahr 2012 der § 64b SGB V in Kraft. Dieser zielt auf eine bessere Patientenversorgung sowie das Erproben von Finanzierungsmodellen ab. Derzeit erfolgt die Finanzierung von voll- sowie teilstationären Leistungen und Leistungen der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) losgelöst voneinander. Insbesondere bei der Vergütung stationärer Leistungen wird dadurch ein Anreiz zur dauerhaften Vollbelegung gesetzt. Um diesen Anreiz zu reduzieren, ist es Leistungserbringern seit dem Jahr 2013 möglich, nach dem Pauschalierenden Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) abzurechnen, seit 2017 sind sie dazu verpflichtet. Die strukturelle Trennung der sektorübergreifenden Behandlung wird dadurch allerdings nicht überwunden. Seit dem 1. Januar 2013 werden daher 21 Modellvorhaben getestet. Diese sehen ein gemeinsames Budget für die stationär-psychiatrischen Fachabteilungen und für die PIA vor und sollen die Möglichkeiten einer sektorenübergreifenden und patientenzentrierten psychiatrischen Versorgung erproben.

Hintergrund des Vortrags von Herrn Kliemt ist die bundeseinheitliche Evaluation der Modellvorhaben, die das WIG2 gemeinsam mit dem Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) der TU Dresden und dem Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie (ISMG) der Universität Magdeburg durchführt. Ziel des Projektes, das bereits seit 2015 besteht und 2025 abgeschlossen sein wird, ist die Messung von Effektivität, Kosten und Effizienz der Modellvorhaben zur Verbesserung der Versorgung von Personen mit psychischen Erkrankungen. Im Fokus stehen dabei die Kosten der psychiatrischen Versorgung, die Effizienz im Sinne des Verhältnisses aus eingesetzten Ressourcen und klinischen Outcomes sowie die Kostenstrukturen über einzelne Leistungsbereiche.

Grundlage für die Analyse bilden anonymisierte, versichertenbezogene Stamm- und Leistungsdaten von mehr als 70 gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland. Dabei wurde eine Interventionsgruppe (Patienten der Modellklinken) und eine Kontrollgruppe (Patienten der Kontrollkliniken) gebildet. Zudem wurde ein Eins-zu-Eins-Matching auf Patientenebene durchgeführt, sodass die entsprechenden untersuchten Patienten exakt übereinstimmen mussten.

Auch wenn die Ergebnisse bisher nur als vorläufig zu betrachten sind, lässt sich die Annahme bestätigen, dass eine sektorenübergreifende Modellversorgung die Häufigkeit einer vollstationären Folgebehandlung verringert. Dies ist auf kürzere stationäre Aufenthalte, aber auch auf die Umsteuerung der Patienten in tagesklinische oder ambulante Behandlungsformen zurückzuführen. Eine übergreifende abschließende Bewertung bezüglich der Kosten ist derzeit allerdings noch nicht möglich. So lassen sich neben der insgesamt hohen Heterogenität der Effekte auf Modellebene in einigen analysieren Modellvorhaben auch Preiseffekte erkennen. Ein Trend zu einer kosteneffizienteren Versorgung in den Modellprojekten kann zum jetzigen Zeitpunkt angenommen werden. Die vollständigen Evaluationsergebnisse aus dem Forschungsprojekt werden nach Abschluss der Untersuchung 2025 in Form eines umfangreichen Abschlussberichts veröffentlicht.

Weitere Infos zu den Modellprojekten zur Versorgung psychisch erkrankter Menschen nach § 64b SGB V und der bundeseinheitlichen Evaluation finden Sie zeitnah in unserem Projektverzeichnis sowie u.a. in der jüngsten Ausgabe der BARMER Gesundheitswesen aktuell 2018.

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