EVA64 und EVA64.2

Bundesweit einheitliche wissenschaftliche Evaluation­ von Modellvorhaben in der ­Psychiatrie nach § 64b SGB V

Die ineinandergreifenden Evaluationsstudien EVA64 und EVA64.2 untersuchen, inwiefern sich moderne, interprofessionelle Versorgungskonzepte für psychisch erkrankte Menschen im Vergleich zur derzeit zumeist vollstationär ausgelegten Regelversorgung bewähren.  Für einen objektiven, datenbasierten und wissenschaftlich fundierten Vergleich der Modellvorhaben mit der Regelversorgung dienen umfangreiche Sekundärdaten involvierter Krankenkassen als Grundlage. Die Studienergebnisse ermöglichen es, evidenzbasiert darüber zu entscheiden, ob moderne, psychiatrische Modellvorhaben das Potenzial haben, die Versorgung psychisch kranker Menschen zu verbessern.

Hintergrund

Psychische Erkrankungen sind sowohl in ihrer Entstehung als auch in ihrem Verlauf vielschichtig und kompliziert. Für eine erfolgreiche Behandlung ist die sektorenübergreifende, gut koordinierte, engmaschig vernetzte und kosteneffiziente Zusammenarbeit der verschiedenen Akteur:innen  somit ganz besonders wichtig. Um die Entwicklung entsprechender Behandlungsformen im psychiatrischen Bereich dahingehend zu fördern, wurde 2013 im SGB V mit den Paragrafen 63 und 64b ein bundesweit einheitlicher Rahmen zur Weiterentwicklung von Modellvorhaben zur Versorgung psychisch kranker Menschen abgesteckt.

Vorgehen

An erster Stelle nimmt die groß angelegte Studie EVA64 bis 2025 bundesweit 18 Modellvorhaben zur sektorenübergreifenden Versorgung in der Psychiatrie nach § 64b SGB V in den Blick, die bis Ende 2016 begonnen hatten. Darüber hinaus sollen diese Behandlungskonzepte in der Folgestudie EVA64.2 – „Bundesweit einheitliche Wissenschaftliche Evaluation von Modellvorhaben nach § 64b SGB V ab 2022“ – weiter evaluiert werden. Zusätzlich betrachtet das Evaluationsteam in dieser bis zu 19 Jahre andauernden Evaluation Modellvorhaben, die bis Mitte 2026 neu entwickelt wurden.
Die Forschungsgruppe setzt sich aus Wissenschaftler:innen des Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung am Uniklinikum Dresden, des Wissenschaftliches Instituts für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung (WIG2) sowie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zusammen.  
Die beiden ineinandergreifenden Evaluationen werden von bis zu 70 Krankenkassen gefördert. Sie stellen große Mengen an GKV-Sekundärdaten zur Verfügung, was eine datenbasierte Prüfung der Modelvorhaben hinsichtlich Wirkung, Aufwand und Effizienz ermöglicht.

Studienkonzept

Die Durchführung beider Studien erfolgt auf Grundlage einer routinedatenbasierten, kontrollierten Kohortenstudie. Der Studienablauf sieht vor, dass jedes der Modellvorhaben zunächst einzeln untersucht wird. Die Interventionsgruppe besteht aus Patient:innen, welche bei einer der teilnehmenden Kassen versichert sind und in einem Krankenhaus mit Vertrag gemäß § 64b SGB V behandelt werden oder wurden. Die Kontrollgruppe wird ebenfalls aus Versicherten dieser Kassen gebildet, wobei die Behandlung im Rahmen der Regelversorgung stattfindet bzw. stattfand.
Während die Evaluation EVA64 weiterläuft, hat das Forschungsteam für die Studie EVA64.2 ein Feinkonzept und Datensatzbeschreibungen erstellt. Derzeit wird am statistischen Analyseplan für EVA64.2 gearbeitet.

Ziel

Im Zentrum beider Studien steht fortwährend die Fragestellung, ob Modellvorhaben aus medizinischer und gesundheitsökonomischer Sicht wirkungsvolle Alternativen zur regelhaften, oftmals vollstationären Betreuung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sind. Können darüber beispielsweise teilstationäre oder ambulante Therapieelemente nahtlos und qualitätssteigernd in den Versorgungsprozess integriert werden? Ermöglichen sektorenübergreifende Konzepte für Patient:innen zum Beispiel vollstationäre Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken zu reduzieren? Und werden finanzielle Ressourcen insgesamt betrachtet über Modellvorhaben in der psychiatrischen Versorgung effizienter eingesetzt?

§§ 63 und 64b SGB V
 
Um die Qualität der Versorgung sowie die Kosteneffizienz im psychiatrischen Bereich zu fördern, bieten die §§ 63 und 64b SGB V seit 2013 einen bundesweit einheitlichen Rahmen zur Weiterentwicklung von Modellvorhaben zur Versorgung psychisch kranker Menschen. 
 
Der gesetzliche Rahmen beinhaltet beispielsweise, dass Patient:innen nicht eigens eingeschrieben werden müssen, wie es bei Verträgen der Integrierten Versorgung nötig ist. Zudem können sich alle Krankenkassen beteiligen, d. h. die Anbieter müssen nicht mehr aufwändig mit jeder Krankenkasse einen eigenen Vertrag zur Integrierten Versorgung verhandeln. Gemeinsames Merkmal aller Modellprojekte ist dabei die Bildung eines Gesamtbudgets für volstationäre, teilstationäre und Leistungen der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA). Die Sektorentrennung in der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen soll im Rahmen der Modellverträge durchbrochen werden, indem in den beteiligten Krankenhäusern die ökonomischen Anreize so verändert werden, dass eine Behandlung vermehrt am tatsächlichen Bedarf der Patient:innen ausgerichtet wird. Wichtige Aspekte sind dabei die Förderung ambulanter, alternativer Behandlungsangebote, während gleichzeitig monetäre Fehlanreize für vollstationäre Behandlungen vermindert werden sollen. Dies wird erreicht, indem das Setting der Behandlung – vollstationär, teilstationär, ambulant oder alternative Behandlungsformen – keinen Einfluss auf das Gesamtbudget hat.
 
Quelle: Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV)

Ansprechpartnerin für das Projekt am WIG2 Institut ist  Dr. Ines Weinhold (2. v. li.). Die WIG2-Teilprojektleitung erfolgt durch Dr. Franziska Claus (3. v. li.), die wissenschaftliche Leitung  am WIG2 Institut obliegt Roman Kliemt (1. v. li.).
 
Konsortialpartner sind das Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung vom Uniklinikum Dresden und die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
 
Insgesamt sind 27 Krankenkassen an EVA64.2 beteiligt.
 
Zeitraum: 2022–2031
 
Stand: Januar 2023