Welche Neuerungen ergeben sich durch das Digital-Gesetz (DigiG) für DiGAs?
Das sagt die Theorie
Das am 26. März 2024 in Kraft getretene Digital-Gesetz (DigiG) zielt darauf ab, den Behandlungsalltag für Ärzt:innen und Patient:innen durch den verstärkten Einsatz digitaler Lösungen zu optimieren. Ein zentrales Element des Gesetzes ist die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle Versicherten sowie die Etablierung des e-Rezepts als verbindlicher Standard. Eine weitere wesentliche Säule des DigiG ist die Erweiterung der Versorgung durch DiGA, welche umfassender in sämtliche Versorgungsprozesse integriert werden sollen und damit auch komplexere Behandlungen ermöglichen. Dies umfasst unter anderem die Einbindung in Disease-Management-Programme (DMP) für chronisch Kranke, wodurch eine engere Verzahnung mit der Standardversorgung erreicht wird.
- Vor dem Inkrafttreten des DigiG waren DiGA auf digitale Medizinprodukte der Risikoklassen I und IIa beschränkt. Seither können auch digitale Medizinprodukte der Risikoklasse IIb als DiGA registriert und genutzt werden. Eine vorläufige Aufnahme zur Erprobung ist für DiGA der Risikoklasse IIb ist allerdings nicht vorgesehen. Hersteller müssen zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits einen medizinischen Nutzen nachweisen; darüber hinaus können patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserungen lediglich ergänzend belegt werden. Zum aktuellen Stand sind noch keine DiGA der Risikoklasse IIb im DiGA-Verzeichnis aufgenommen worden.
- Zudem wird nun die Versorgung von Schwangeren mit DiGA ermöglicht, was notwendig war, da eine regelhaft verlaufende Schwangerschaft nicht als eine Erkrankung gilt und damit kein ICD-10 Code existiert.
- Zum 01.01.2026 wird eine anwendungsbegleitende Erfolgsmessung für alle im Verzeichnis gelisteten DiGA verpflichtend eingeführt. Die Ergebnisse dieser Messung müssen dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kontinuierlich gemeldet und im DiGA-Verzeichnis veröffentlicht werden müssen. Die anwendungsbegleitende Erfolgsmessung ermöglicht Leistungserbringenden und Patient:innen eine fundierte Entscheidung über den Einsatz einer DiGA im Behandlungsverlauf zu treffen.
- Darüber hinaus soll ein „erfolgsabhängiger Preisbestandteil” von mindestens 20 % sicherstellen, dass die tatsächliche Wirksamkeit der Anwendungen honoriert wird. Dies fördert einen transparenter Qualitätswettbewerb, womit gewährleistet wird, dass sich die effektivste DiGA in der Versorgung durchsetzt. Die genauen Modalitäten für die erfolgsabhängige Preisgestaltung werden derzeit erarbeitet. Es ist geplant, diese Regelungen in den kommenden Monaten einzuführen.
- Da Patient:innen teilweise lange Wartezeiten bis zur Zusendung der Freischaltcodes zur Nutzung einer DiGA durch die Krankenkassen hatten, besteht nun eine verpflichtende Zusendung des Freischaltcodes innerhalb von zwei Tagen.
- Außerdem wird eine stärkere Einbindung von Telemedizin ermöglicht. Ein telemedizinisches Monitoring erfolgt in der Regel in der Kombination einer vertragsärztlichen Leistung, welche seitens der Hersteller vorab festgelegt und im Rahmen der wissenschaftlichen Studie zum Nachweis eines positiven Versorgungseffekts ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
Das sagt die Praxis
Zum 14.01.2025 sind insgesamt 58 DiGA im Verzeichnis gelistet. Der Großteil dieser Anwendungen (n=56) ist der Risikoklasse I zugeordnet. Von diesen DiGA sind 21 gemäß der alten Richtline über Medizinprodukte (Medical Device Directive (MDD)) und 37 gemäß der neuen EU-Verordnung über Medizinprodukte (Medical Device Regulation (MDR)) zertifiziert. Die DiGAs „Kaia Rückenschmerzen – Rückentraining für Zuhause“ sowie „Vantis I KHK und Herzinfarkt“ sind der Risikoklasse IIa zugeordnet. Bislang existiert keine DiGA der Risikoklasse IIb im Verzeichnis.
Gut zu wissen
Die Risikoklassen sind EU-weit durch den Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG festgelegt. Gemäß Klassifizierungsregel 11 wird Software, die Informationen für therapeutische und diagnostische Entscheidungen bereitstellt, mindestens in die Risikoklasse IIa eingeordnet. Sollte die Entscheidung, die durch die Software unterstützt wird, potenziell zu einem Schaden führen können, erhöht sich die Risikoklasse entsprechend.
Beispiel für DiGA der Risikoklasse IIb sind Software, die:
- Diabetes-Patient:innen bei der Berechnung der zu injizierenden Insulin-Dosis hilft.
- kontinuierlich Pulsdaten analysiert und alarmiert, wenn z. B. eine potenziell lebensgefährliche Herzrhythmusstörung vorliegt.
- in der Intensivpflege eingesetzt werden, um verschiedene Vitalparameter zu überwachen und bei kritischen Abweichungen alarmiert.
- Patient:innen mit schweren chronischen Erkrankungen wie COPD oder Herzinsuffizienz überwachen und medizinische Fachkräfte bei der Entscheidungsfindung unterstützen.