Was sollte man über die anwendungsbegleitende Erfolgsmessung wissen?
Das sagt die Theorie
Die anwendungsbegleitende Erfolgsmessung (abEM) von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) ist ein zentraler Bestandteil des Digital-Gesetzes (DigiG), das am 26.03.2024 in Kraft getreten ist. Ziel der abEM ist es, tiefere Einblicke in die tatsächliche Patientenversorgung zu ermöglichen, Transparenz hinsichtlich der tatsächlichen DiGA-Nutzung durch die Patient:innen zu schaffen und deren Zufriedenheit mit der DiGA-Nutzung zu betrachten. Durch die kontinuierliche Veröffentlichung der anonymisierten und aggregierten Ergebnisse dieser abEM, welche für alle im DiGA-Verzeichnis gelisteten Anwendungen verpflichtend sein soll und ab dem 01. Januar 2026 im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgen wird, soll der Qualitätswettbewerb unter den DiGA gefördert werden. Die Ergebnisse der abEM spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Preisgestaltung, da im Rahmen des DigiG die Vergütung von DiGA zunehmend an dem nachgewiesenen Erfolg angelehnt wird.
Die abEM konzentriert sich im Wesentlichen auf drei Säulen, die im Rahmen der Anwendung der DiGA und somit im konkreten Versorgungsalltag der Patient:innen erhoben werden: (1) Dauer und Häufigkeit der Nutzung, (2) patientenberichteter Gesundheitszustand und (3) Patientenzufriedenheit. Derzeit bestehen bereits erste Initiativen, die eine konkrete Ausgestaltung der abEM vorschlagen.
Das sagt die Praxis
Im Dezember letzten Jahres wurde bereits ein erster Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) mit Vorschlägen zu einer konkreten Ausgestaltung der abEM vorgelegt. Dieser Entwurf steht jedoch derzeit noch zur Diskussion und in der Kritik, wie beispielsweise die aktuellen Ausführungen des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) zeigen.
(1) Dauer und Häufigkeit der Nutzung
Das BMG schlägt die Auswertung der vom Beginn der Nutzung bis zum Ende der Anwendungsdauer erhobenen Daten in Bezug auf den Nutzungsumfang, die Nutzungshäufigkeit und den Abbruch der DiGA-Nutzung vor. Der SVDGV argumentiert jedoch, dass Login-Daten oder Nutzungsdauern keinen Therapieerfolg widerspiegeln und bspw. ein Rauchstopp als Abbruch gewertet werden könnte, obwohl er einen Therapieerfolg darstellt. Auch wir als herstellerunabhängige Institution weisen darauf hin, dass die „ideale“ Nutzungsdauer und -häufigkeit bis zur Erzielung eines Therapieerfolgs indikationsabhängig und patientenindividuell ist und deshalb auf Basis der genannten Parameter nur schwer zu bewerten ist.
(2) Patientenberichteter Gesundheitszustand
Für die Messung der Veränderung des patientenberichteten Gesundheitszustands wird folgende Fragestellung vorgeschlagen: „Wie würden Sie Ihren Gesundheitszustand im Vergleich zu vor Beginn der Behandlung mit dieser digitalen Gesundheitsanwendung beschreiben?“ Auch gegen diese generalistische Einzelfrage argumentiert der SVDGV und führt an, dass sie nicht auf die spezifische Erkrankung abzielt, welche durch die DiGA adressiert wird und Begleiterkrankungen dementsprechend keine Berücksichtigung finden. Der patientenberichtete Gesundheitszustand kann unserer Meinung nach durch eine Einzelfrage nicht adäquat erhoben werden, da auch er abhängig von der jeweiligen Indikation ist – so können Patient:innen mit Bluthochdruck nicht mit Krebspatient:innen verglichen werden.
(3) Patientenzufriedenheit
Für die Erhebung der Patientenzufriedenheit wird ein Fragebogen vorgeschlagen, der mit vier Fragen beurteilt, ob die DiGA leicht verstanden wurde, ob sie zuverlässig funktionierte, ob bei Fragen zeitnah eine Unterstützung erfolgte und ob die Erkrankung durch die DiGA-Nutzung besser verstanden wurde als zuvor. Zudem soll die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt werden, die Anwendung Freunden oder Verwandten weiterzuempfehlen. Vor allem die letzte Frage steht in der Kritik, da sie vor allem bei schambehafteten Erkrankungen eine eher geringe Aussagekraft hat. Wir sehen auch hier die Herausforderung der Vergleichbarkeit der erzielten Ergebnisse in Bezug auf die Patientenzufriedenheit zwischen den DiGA mit ihren unterschiedlichen Konzepten, Funktionen und Modulen.
Gut zu wissen
- Das BfArM veröffentlicht ab dem 1. Januar 2026 die Ergebnisse der abEM von DiGA im DiGA-Verzeichnis.
- Der Anteil an erfolgsabhängigen Preisbestandteilen soll mindestens 20 % des Vergütungsbetrages auf für bereits verhandelte Vergütungsbeträge betragen.
- Die abEM erfolgt im Rahmen der Anwendung von DiGA im tatsächlichen Versorgungsalltag der Patient:innen.
- Die Datenerhebung erfolgt kontinuierlich während der Anwendung der DiGA.
- Die abEM erfolgt für die Patient:innen freiwillig, was bei der Interpretation der Rücklaufquoten berücksichtigt werden sollte.