Welche Aspekte sind zu berücksichtigen, um die Lebensqualität in einer DiGA-Studie zu erheben?

Das sagt die Theorie

Um als Hersteller ins DiGA-Verzeichnis zu gelangen, muss ein positiver Versorgungseffekt (pVE) nachgewiesen werden, der in Form eines medizinischen Nutzens (mN) und/oder einer patientenrelevanten Struktur- und Verfahrensverbesserung (psVV) erbracht werden kann. In klassischen Arzneimittelstudien werden häufig objektive Endpunkte zur Erzielung eines mN adressiert (z. B. Überlebenszeit, Komplikationsrate, Laborparameter). Hersteller von DiGA adressieren den mN häufig aber auch über subjektive Endpunkte, allen voran der Lebensqualität (QoL). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versteht unter dem Begriff QoL den Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens, wobei der subjektiven Wahrnehmung dieses Wohlergehens eine große Bedeutung zugeschrieben wird. Demnach wird der Erfolg einer Behandlung nicht mehr nur an körperlichen Symptomen und Befunden gemessen, sondern auch anhand der subjektiven Einschätzung der Patient:innen. Zur Messung der QoL werden im DiGA-Kontext meist quantitative, generische oder krankheitsspezifische Fragebögen eingesetzt. Generische Instrumente, wie der „Short Form-36 (SF-36)“, der „Short Form Health Survey-12 (SF-12)“, der „World Health Organization Quality of Life (WHOQOL)“oder der „European Quality of Life 5 Dimensions (EQ-5D)“, messen die gesundheitsbezogene Lebensqualität unabhängig von besonderen Erkrankungen und Problemlagen. Krankheitsspezifische Instrumente, wie der „Hamburg Quality of Life Questionnaire of Multiple Sclerosis (HAQUAMS)“, der „Endometriosis Health Profil 5 (EHP-5)“ oder der „Quality of Life measure for Men with Erection Difficulties (QoL-Med)“, sind hingegen speziell für Patient:innen mit bestimmten Erkrankungen entwickelt worden. Bisher existieren zur Messung von QoL keine objektiven Methoden, weshalb in einem aktuellen Forschungsprojekte am WIG2 Institut untersucht wird, inwieweit multimodale Daten aus digitalen Diensten, Wearables und mobilen Geräten genutzt werden können, um mit Hilfe von KI-basierter Datenanalyse die individuelle Lebensqualität objektiv bestimmen zu können.


Das sagt die Praxis

Zum 01.04.2025 sind 59 Anwendung im DiGA-Verzeichnis gelistet. Insgesamt 49 DiGA-Hersteller adressierten die QoL im Rahmen der wissenschaftlichen Studie zum Nachweis des pVE als einen Endpunkt.  Für 23 DiGA konnte eine statistisch signifikante Verbesserung der Lebensqualität nachgewiesen werden. Sechs DiGA-Hersteller erhoben die QoL als primären Endpunkt, wovon fünf Hersteller eine statistisch signifikante Verbesserung nachweisen konnten. Die meisten DiGA-Hersteller (n=43) erhoben die QoL als sekundären Endpunkt, wobei 18 Hersteller eine statistisch signifikante Verbesserung aufzeigen konnten. Die am häufigsten eingesetzten, generischen Fragebögen waren der „Short Form 12 Health Survey (SF-12)“ (n=15) und der „World Health Organization Quality of Life-BREF (WHOQOL-BREF)“ (n=9).


Gut zu wissen

  • Existieren für die adressierte Zielpopulation krankheitsspezifische Instrumente zur Erfassung der QoL, sollten diese bevorzugt angewendet werden, da sie spezifische Beeinträchtigungen durch das vorliegende Erkrankungsbild erfragen und erfassen. 
  • Das BfArM fordert nicht mehr nur für primäre Endpunkte, sondern ebenso für sekundäre Endpunkte die präspezifizierte und aus der wissenschaftlichen Literatur hergeleitete Definition eines klinisch relevanten Unterschieds (sog. „Minimal Clinically Important Difference“ (MCID)), den es im Rahmen der wissenschaftlichen Studie nachzuweisen gilt. Bei der Auswahl eines geeigneten Fragebogens zur Messung von QoL sollte daher darauf geachtet werden, dass für die adressierte Zielpopulation bereits ein solcher MCID ermittelt wurde.  
  • Um die QoL zu erheben, wird oft der Short Form Health Survey-12 verwendet. In diesem Fragebogen wird unter anderem die Frage gestellt, ob in den vergangenen 4 Wochen aufgrund der körperlichen Gesundheit Schwierigkeiten bei der Arbeit oder anderen alltäglichen Tätigkeiten im Beruf bzw. zu Hause auftraten. Wird dieser Fragebogen nun zu Beginn der Studie (t0) und beispielsweise nach 4 Wochen (t1) abgefragt, so bezieht sich die genannte Frage – wird sie zu t1 gestellt – eigentlich auf t0. Vor diesem Hintergrund sollte auf einen ausreichend großen Beobachtungszeitraum geachtet werden, damit die gewählten Fragebögen auch den tatsächlichen Interventionszeitraum adressieren können.


Gefördert durch eine Initiative der Sächsischen Aufbaubank erforscht das WIG2 Institut derzeit, inwieweit mithilfe maschineller Intelligenz und digitalen Daten, die täglich im Arbeitsumfeld generiert werden, eine objektive Messmethode entwickelt werden kann, um Lebensqualität am Arbeitsplatz zuverlässig zu ermitteln. Hierzu wird eine App entwickelt, die digitale Daten der Nutzenden erfasst, bewertet und Empfehlungen zur Lebensqualitätssteigerung gibt, die hieraus abgeleitet werden können. Weitere Informationen zu diesem Projekt können Sie hier nachlesen.