Welche Aspekte sind zu berücksichtigen, um die Adhärenz in einer DiGA-Studie zu erheben?

Das sagt die Theorie

Als Adhärenz wird in der Medizin die Einhaltung, der gemeinsam vom Patienten und Behandler gesetzten Therapieziele im Rahmen des Behandlungsprozesses, bezeichnet. Demnach umfasst die Adhärenz beispielsweise das Ausmaß, zu dem das Verhalten einer Person hinsichtlich der Medikamenteneinnahme, oder Lebensstiländerung mit der vereinbarten Empfehlung übereinstimmt. Diese Einhaltung stellt für Patienten (v. a. bei chronischen Erkrankungen) häufig ein Problem dar. Die WHO hat diesbezüglich fünf Determinanten definiert, die einen Einfluss auf die Adhärenz eines Patienten ausüben können und im Rahmen der Intervention berücksichtigt werden sollten:

  • Faktoren des Gesundheitssystems (z. B. Arzt-Patienten-Kommunikation)
  • soziale/ökonomische Faktoren (z. B. Bildung)
  • Faktoren der Erkrankung (z. B. adressierte Endpunkte der gesundheitlichen Problemstellung)
  • Faktoren der Therapie (z. B. persönlicher Zufriedenheit mit den Interventionsinhalten)
  • Faktoren auf Seiten des Patienten (z. B. Zeitmangel bei der Anwendung).

Vor diesem Kontext ist die Stärkung der Adhärenz wesentlich, um die vom Patienten und Behandler gemeinsam gesetzten Therapieziele zu erreichen. Im Anwendungskontext digitaler Interventionen ist die Adhärenz definiert als das Ausmaß, in dem die Nutzenden die Software so verwenden, wie diese vom Hersteller konzipiert wurde. Dies wird oftmals mit „intended use“ (bestimmungsgemäße Verwendung) bzw. „use as it is designed“ (Verwendung, wie es konzipiert wurde) beschrieben.

Zur Messung von Adhärenz werden neben krankheitsspezifischen Fragebögen häufig Nutzungsdaten (z. B. Sensordaten) verwendet, um das Anwendungsverhalten der Nutzenden beschreiben zu können. Die Auswahl der Messgrößen bei digitalen Interventionen wird jedoch oftmals uneinheitlich vorgenommen. Beispielsweise kann die Frequenz der durchschnittlichen Log-ins über eine definierte Zeitspanne und der gesamten Anwendungsdauer erhoben werden; oder die Intensität der Nutzung der aufgerufenen Interventionsinhalte und durchgeführten Aufgaben/Module ermittelt werden; oder die Zeit, die ein Nutzer auf einer Seite verbraucht hat und wie viele Tage zwischen dem ersten und letzten Log-in vergangen sind, gemessen werden; oder wie oft unterschiedliche Inhalte zur Anwendung kommen (z. B. die Nutzung von Gesundheitsinformationen, Quiz-Module, das Eintragen von Vitalwerten). Aufgrund der großen Variabilität hinsichtlich der Anzahl und Art der Messgrößen, bietet die Nutzung von Mixed-Methods-Ansätze die Chance, sowohl qualitative als auch quantitative Daten innerhalb einer Studie erheben zu können.

Im Rahmen des Digital-Gesetzes (DigiG) wird seit dem 26.03.2024 eine anwendungsbegleitende Erfolgsmessung (abEM) für alle gelisteten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) vorgegeben, die ab 2026 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgeschrieben wird. Diese beinhaltet auch die Erhebung von Nutzungshäufigkeit und -intensität einer DiGA. Entsprechend ist die Auseinandersetzung mit der Thematik für DiGA-Hersteller wesentlich und zukunftsweisend.


Das sagt die Praxis

Zum 28.05.2025 sind 59 Anwendung im DiGA-Verzeichnis gelistet. In insgesamt 10 DiGA-Studien wurde die Adhärenz im Rahmen der wissenschaftlichen Studie zum Nachweis des positiven Versorgungseffekts als sekundärer Endpunkt adressiert; 37 DiGA-Studien erschlossen die Adhärenz explorativ.

Zur Messung der Adhärenz in Form eines sekundären Endpunktes wurden zum einen krankheitsspezifische Fragebögen, wie der „Treatment Adherence Perception Questionnaire (TAPQ)“ (n=1), der „patient-reported WAI-SR Score“ (n=1) sowie der „8-Item Morisky medication Adherence Scale (MMAS-8)“ (n=2), verwendet, zum anderen ermöglichten In-App-Daten Informationen zur Therapietreue zu gewinnen, die über das tägliche Eintragen von Messwerten (n=1), der wöchentlichen Nutzungsfrequenz (n=3), oder dem vorzeitigen Abbrechen der digitalen Intervention (n=2), ermittelt werden können.

Des Weiteren sind In-App-Daten nützlich, die Adhärenz explorativ zu untersuchen. Diese treten oft in Kombination zueinander auf. Die dabei am häufigsten erfassten In-App-Daten sind: Log-in Files und die Nutzungsaktivität durch Tracking und Monitoring (n=10), die wöchentliche und tägliche Anzahl der Nutzungstage (n=7), die Messung der Übungsfrequenz, -dauer und -intensität pro Woche (n=7), die Anzahl der abgeschlossenen Module (n=5), das vorzeitige Beenden oder nicht-abschließen von Modulen (n=4), das tägliche und wöchentliche Eintragen von Messwerten (n=2) sowie die In-App-Befragung zur Anwendungshäufigkeit der Intervention (n=1).


Gut zu wissen

  • Zur Messung der Adhärenz sollte ein validierter, krankheitsspezifischer Fragebogen verwendet werden, der für die Zielpopulation geeignet ist und eine festgelegte „minimal klinisch wichtige Differenz“ (engl. „Minimal Clinically Important Difference“ (MCID)) einbezieht, durch welche die geringste Veränderung in einem patientenberichteten Ergebnismaß (Patient-Reported Outcome Measure, (PROM)) beschrieben wird. Diesen Anforderungen an einen Fragebogen gerecht zu werden ist schwierig, allerdings notwendig, um vom BfArM die anwendungsbegleitende Erfolgsmessung (AbEM) der Adhärenz gebilligt zu bekommen.
  • Zu den wesentlichen Kennzahlen der abEM zählen insbesondere (1) die Dauer und die Häufigkeit der Nutzung der DiGA, (2) die Patientenzufriedenheit in Bezug auf die Qualität der DiGA und (3) der patientenberichtete Gesundheitszustand während der Nutzung der DiGA.
  • Die Erhebung der Adhärenz kann zum einen über subjektiv über Fragebögen, wie der „Treatment Adherence Perception Questionnaire (TAPQ)“ sowie der „8-Item Morisky´ medication Adherence Scale (MMAS-8)“ erfolgen, zum anderen objektiv über In-App-Daten, wie beispielsweise die Frequenz der durchschnittlichen Log-ins in einer definierten Zeitspanne, die Intensität der Nutzung der aufgerufenen Interventionsinhalte, die Häufigkeit der Nutzung von unterschiedlichen Inhalten, wie u.a. Gesundheitsinformationen, Eintragung von Vitalwerten, oder die Anwendung von Quiz-Modulen.
  • Die Adhärenz wird gegenwärtig häufig nur explorativ über die Erhebung von Nutzungsdaten adressiert.